Kennst du sie, diese panische Suche im Internet nach diesem einen Tipp für deine Steuererklärung, dem richtigen Antrag für's Amt oder irgendetwas anderem, was uns tagtäglich Sorgen bereitet? Nun stell dir vor, dass du ganz neu bist in Deutschland, große Sprachprobleme hast und stehst vor diesen Problemen. Die Online-Plattform Wefugees setzt genau hier an. Wir haben Cornelia Röper, die Gründerin von Wefugees, zu ihrer Motivation, ihren Fortschritten und der Situation von Geflüchteten in Deutschland interviewt.
"Wir sind die kleine Hilfe in der Hosentasche, wenn man mal nicht weiter weiß."
Wofür steht Wefugees? Was ist die Idee dahinter?
Wefugees steht für “we are all refugees” und “welcome refugees” - falls uns jemand Aufkleber dafür sponsern möchte, darf er sich gerne bei uns melden ;) - Spaß beiseite: Wefugees.de ist eine Online-Plattform auf der Geflüchtete und Helfer ihre ganz individuellen Fragen stellen können. Dabei haben sie die Wahl zwischen 11 Kategorien, die von rechtlicher Beratung bis hin zu Informationen über Steuererklärungen, Wohnungssuche oder Freunde finden reichen.
Beantwortet werden die Fragen öffentlich von verifizierten Experten, wie ausgebildeten Juristen, Sozialarbeitern und Psychologen, sowie von Ehrenamtlichen. So erreichen wir mit einer Antwort Tausende und unterstützen sogar die Ehrenamtlichen vor Ort. Wefugees ist quasi die "Wie funktioniert das in Deutschland?"-Plattform.
Was hast du in 2017 erreicht, worauf du stolz bist?
Es ist so viel passiert im letzten Jahr. Wir konnten Wefugees eine stabile Basis geben und haben momentan im Schnitt 8000 User im Monat. Außerdem sind wir in den Migration Hub eingezogen und haben eine App entwickelt (steht für Android hier zum Download bereit). Abgesehen davon waren wir mit der Rockband Dispatch unterwegs, waren Backstage, durften die Band und die Fans tätowieren, zu Wefugees aufklären und wurden später sogar mit auf die Bühne geholt. Wir waren Speaker auf der Re:publica und ich wurde von euch zu einer der Social Innovators to Watch 2017 ausgezeichnet.
Außerdem sind 2017 viele Studien zum Informationsverhalten Geflüchteter herausgekommen, die genau das widerspiegeln, was wir 2015 in Co-design Workshops mit Geflüchteten herausgefunden hatten. Sie alle bestätigen uns in unserer Arbeit und beschleunigen nun hoffentlich Entscheidungswege in den großen Beratungsorganisationen.
Aber das Wichtigste ist: Wir konnten unzählige Geflüchtete und HelferInnen unterstützen, und sind die kleine Hilfe in der Hosentasche, wenn man mal nicht weiter weiß.
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Das klingt sehr beeindruckend. Was möchtest du in 2018 erreichen?
Das Jahr hat schon wunderbar angefangen. Ich war diesen Monat in London und wurde vom Forbes Magazine zu einer der 30 wichtigsten SozialunternehmerInnen unter 30 in Europa ausgezeichnet.
Auf dem Plan für 2018 stehen sonst vor allem konkrete Kooperationen mit Wohlfahrtsverbänden, um Wefugees noch enger mit den schon bestehenden Beratungssystemen zu verflechten. Wir möchten den Beratern die Arbeit erleichtern und Geflüchtete und HelferInnen mit Antworten versorgen. Den größten Hebel haben wir dafür mit den größten Organisationen.
Was ist deine persönliche Motivation hinter Wefugees?
Wut. Die Wut über die Möglichkeiten, die wir haben und nicht nutzen.
Sollte nicht jeder Mensch ein Recht auf die Informationen haben, die er braucht? Informationen und Antworten zum Asylprozess, zur Findung von Arbeit, zum komplexen deutschen System, zur Integration …
Ich kann doch nicht da sitzen und zugucken, wie jeden Tag hunderte Geflüchtete in Schlangen vor Beratungsinstitutionen stehen, diese die selben Fragen immer und immer wieder beantworten und so dem Bedarf an Beratungen gar nicht gerecht werden können. Die meisten Menschen, auch Geflüchtete, suchen online nach Hilfe. Genau dort sollten sie dann auch direkt Antworten finden, und zwar öffentlich über die Google-Suche. Nur so können wir effektiv helfen.
Wefugees wird übrigens nicht nur von Geflüchteten genutzt, sondern auch von vielen weiteren MigrantInnen die, bis auf die Asylfragen, oft vor den selben Herausforderungen stehen.
Was war für dich die größte Herausforderung bei der Realisierung von Wefugees? Und warum?
Geduld. Die Lösungen sind manchmal so nah, aber die Entscheidungswege in Deutschland oft viel zu lang.
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Was würdest du anderen GründerInnen gerne mit auf den Weg geben – besonders solchen, die sich für Geflüchtete engagieren?
Startet kein Projekt ohne Geflüchtete miteinzubeziehen! Und macht euch gleich zu Anfang Gedanken darüber, wer Interesse daran hat euer Projekt zu finanzieren.
Alle reden über Integration, du bist ganz nah dran. Welche 3 Dinge würdest du dir wünschen, damit Deutschland weltweit Integrations-Vorbild wird?
- Digitalisierung der Flüchtlingshilfe mit Wefugees (es ist viel günstiger und effektiver)
- Mehr Aufklärung zu Ursachen und Wirkungen politischer Entscheidungen, sowie deren Alternativen
- Aufhebung der aus der Luft gegriffenen Zahl von höchstens 1000 Familiennachzüglern pro Monat. Das ist nicht der richtige Weg und geht auf die Kosten der Kinder und Familien.
Mehr Infos zu Wefugees? Hier geht es zur Plattform.