Eine millionenschwere Förderung für Social Entrepreneurs?

Was wäre, wenn die Politik sich mehr für eine Förderung von Social Entrepreneurship einsetzen würde?

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von Michael Wunsch, August 21, 2017
Förderung für Social Entrepreneurs

Die deutsche Bundestagswahl 2017 rückt immer näher und bald werden wir wieder über die politische Entwicklung unseres Landes entscheiden dürfen. Mitunter auch, inwieweit nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland Unterstützung erfährt.

Wie bereits im letzten Artikel dieser Reihe beschrieben, ist Social Entrepreneurship ein passendes Werkzeug, um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen. Doch haben es deutsche Social Entrepreneurs nicht immer ganz leicht. Sie müssen beispielsweise mit bürokratischen Hürden kämpfen oder haben Schwierigkeiten, für ihre Vorhaben Finanzierung aufzutun.

Mit der Gründung des Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland e.V. (SEND) in Kooperation mit dem Bundesverband Deutsche Startups e.V. (BVDS) gibt es nun eine Interessensvertretung für Social Entrepreneneurship. SEND hat dieses Jahr ein Positionspapier veröffentlicht, in dem es die wichtigsten Handlungsschritte für die Politik beschreibt, um Social Entrepreneurship in Deutschland zu stärken.

Die Forderungen

  1. Finanzierung sozialer Innovationen ermöglichen
  2. Sichtbarkeit und Vernetzung
  3. Einstiegshürden für die Gründung eines Social Startups abbauen
  4. Talente für eine Karriere im Bereich Sozialunternehmertum begeistern

1. Finanzierung sozialer Innovationen ermöglichen

Bereits 2012 hatte die KfW-Bank ein Förderinstrument für Sozialunternehmertum für drei Jahre aufgebaut. Sozialunternehmen bekamen bis zu 200.000 Euro für ihr Wachstum – eine oft dringend gebrauchte Summe. Leider wurde das Programm 2015 nicht weitergeführt, womit eine wichtige Investitionsmöglichkeit heute nicht mehr zugänglich ist. Es sollte Ziel der Bundesregierung sein, dieses Förderinstrument wieder aufleben zu lassen.

Für Social Startups, die bereit sind, mehr als 200.000 Euro an Wachstumskapital aufzunehmen sollte es darüber hinaus einen Matchingfonds geben. Dieser könnte Anreize für Social Impact Investment geben und analog zum High Tech Gründerfonds aufgebaut sein. Zum Vergleich: Der deutsche High Tech Gründerfonds, der in Startups mit technischen Innovationen investiert, beläuft sich auf ca. 60 Mio € pro Jahr. Für Soziale Innovationen gibt es bisher jedoch keinen Fonds. Großbritannien hat in der Hinsicht 2012 einen großen Vorstoß gemacht: Der Fonds Big Society Capital hat bis dato im Durchschnitt sage und schreibe rund 128 Mio € pro Jahr in Social Startups investiert.

Es wäre auch mit wenig Aufwand möglich bestehende, erfolgreiche, Förderwerkzeuge an Social Entrepreneurship anzupassen. Daher gehören beispielsweise EXIST, INVEST oder das KfW-Startgeld. Dabei müssten die Instrumente nur die Hürden für Social Entrepreneurs senken und mehr auf die Zulässigkeit von sozialen Gründerideen in ihren Kommunikationsmaterialien hinweisen – alles andere bliebe beim Alten. Eine sehr kostengünstige Veränderung seitens der Politik.

Der deutsche Staat könnte zusätzlich eine neue Finanzierungsmöglichkeiten für Social Entrepreneurship nutzen: Social Impact Bonds sind Garantien des Staates, dass erst, wenn ein vertraglicher Partner eine gewisse Wirkung erreicht, die Leistung bezahlt wird. Da diese Form des Vertrags die gewöhnlichen Leistungszahlungen ablöst, werden keine weiteren Kosten fällig. Social Impact Bonds versprechen einen Anstieg innovativer Lösungen gesellschaftlicher Herausforderungen und höhere Effizienz und wurden beispielsweise bereits in Augsburg getestet.

Als letzte Maßnahme in dieser Kategorie nennt SEND eine Gesetzesänderung, die die wirkungsorientierte Anlagemöglichkeiten für Stiftungen aus dem Stiftungskapital anstrebt. Momentan ist es recht kompliziert für Stiftungen, Direktinvestitionen in Sozialunternehmen zu tätigen. Hierfür würden keine wiederkehrenden Kosten für den Staat entstehen.

2. Sichtbarkeit und Vernetzung

Der deutsche Staat kann des Weiteren die bisherigen Akteure des Social Entrepreneurship Ökosystems unterstützen, indem er ihnen bei der weiteren Sichtbarkeit und Vernetzung unter die Arme greift. Ein gutes Werkzeug dafür wäre die Förderung einer gemeinsamen Kommunikationskampagne.

Über die Kommunikationskampagne hinaus nennt SEND weitere mögliche Förderprogramme: Kartografierung des Social Entrepreneurship Ökosystems, Social Innovation Parks aufbauen, Förderung von Konferenzen und Soziale Innovationscluster zur Vernetzung entwickeln. Nimmt man diese Programme zu einer kohärenten Strategie zusammen, könnte daraus eine sehr schlagkräftige Maßnahme entstehen.

Natürlich darf in dieser Liste die Wissenschaft nicht fehlen, die mit ihrer Forschung wichtige Anhaltspunkte für weitere politische und pragmatische Entscheidungen liefert. Dies ist wichtig, da die Datenlage zu Social Entrepreneurship in Deutschland noch sehr zu wünschen übrig lässt.

3. Einstiegshürden für die Gründung eines Social Startups abbauen

Es ist sinnvoll, soziale Neugründungen professionell zu begleiten, da dadurch sowohl die Qualität und die Quantität der Gründungen steigen – vor allem, da die gewöhnliche Gründungsberatung mit dem Thema Social Entrepreneurship zumeist heillos überfordert ist. Und obwohl es schon einige gute Anlaufstellen für Social Entrepreneurs gibt, sind diese meist nicht ausreichend gefördert. Schon für nur 15.000 Euro könnte jeweils ein Social Startup eine passende Gründungsberatung inklusive maßgeschneiderter Workshops und Arbeitsräume für ein Jahr erhalten. Man mag sich gar nicht ausdenken, was eine gewöhnliche staatliche Fördersumme von 100 Millionen Euro dort schon erreichen könnte.

Zusätzlich kann der Staat direkt in die Gründer investieren. Durch die Bereitstellung von Stipendien zur Sicherung des Lebensunterhalts oder einer finanziell geförderten Gründerzeit gäbe es größere Anreize für soziale Gründer, den Weg in das Abenteuer zu wagen. Sie könnten sich damit voll auf ihre Gründung konzentrieren, was die Qualität der resultierenden Unternehmen erhöhen könnte. Eine angemessene Höhe dieser Gründerstipendien könnten bei 30.000 € für ein Jahr pro Gründer liegen und beispielsweise als Programm von einem Akteur des Gründerökosystems verwaltet werden.

Den Schluss dieser Kategorie bilden öffentliche Ausschreibungen. Schon 2014 veröffentlichte die Europäische Union ein Paket zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei der öffentlichen Vergabe. Dadurch könnten Sozialunternehmen vermehrt bei rund 360 Milliarden € öffentlicher Gelder pro Jahr alleine in Deutschland öfter beauftragt werden. In der Realität findet dies jedoch selten statt, da die entsprechenden Behörden kaum Wert auf Nachhaltigkeit legen. Dabei würde die Veränderung der Vergabekriterien selbst keine Mehrausgaben verursachen.

4. Talente für eine Karriere im Bereich Sozialunternehmertum begeistern

Social Entrepreneurship ist nur so gut, wie die Menschen, die darin arbeiten – ob als Geschäftsführende, Angestellte oder Ehrenamtliche. Daher ist es von großer Wichtigkeit, Talente für diesen Bereich zu begeistern, beispielsweise durch Initiativen an Schulen und Hochschulen oder durch die Öffnung des Freiwilligen Sozialen Jahrs für die Mitarbeit in Sozialunternehmen.

Was wäre, wenn die Politik tatsächlich auf die Forderungen von SEND und dem BVDS eingehen würde? Was könnte jeder Euro wert sein, der volkswirtschaftlich in Social Entrepreneurship fließt? #cliffhanger