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#OldieButGoldie; ursprünglich erschienen am 04.08.2015
„Nur wer in dem, was er tut, einen Sinn sieht, wird sich nachhaltig engagieren können.” Schreibt Jutta Heller in ihrem aktuellen Buch „Resilienz. Innere Stärke für Führungskräfte”. Als 18jährige wollte sie Tropenförsterin werden und sah ihren Weg klar vor sich:
„Zuerst ein Studium der Forstwirtschaft und dann ein Aufbaustudium in Hamburg. Im Hinterkopf hatte ich das Bild von mir, wie ich wichtig durch den Urwald stapfe. Tropenförsterin bin ich leider nicht geworden. Mein Vater, der immer wieder mit Forstleuten zu tun hatte, redete mir diesen Beruf mit bester Absicht massiv aus, da das seiner Meinung nach kein Beruf für eine Frau war.”
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Danach begann sie viele Ausbildungsschritte, um erneut festzustellen, was sie nicht wollte. Heute ist sie davon überzeugt, „dass solche tiefen Wünsche, verbunden mit klaren Bildern, Raum brauchen” und uns die Kraft geben, unseren Weg zu finden.
Dass sie heute Resilienz-Expertin ist und Nachhaltigkeit ihre Arbeit prägt, hat einen inneren Bezug zu ihrem früheren Lebenswunsch. So stammt der Begriff Nachhaltigkeit ebenfalls aus der Forstwirtschaft: Wer einen Wald bewirtschaftet, darf nur so viel Bäume fällen und verkaufen wie auch nachwachsen können (Hanns Carl von Carlowitz: »Sylvicultura oeconomica – Anweisung zur wilden Baum-Zucht«, 1713).
Doch das ist nur eine Seite des Nachhaltigkeitsthemas – Bäume stehen auch für Resilienz, denn sie haben die Stärke und Widerstandsfähigkeit, sich unerwarteten Herausforderungen (Stürme, Feuer, Überschwemmungen, Dürre) anzupassen und lange Zeiträume zu überdauern. Werden sie verletzt, können sie sich selbst heilen oder aus dem Untergrund herauszuwachsen.
Das Resilienzthema erscheint im gesellschaftlichen Kontext bereits im „Deutschen Wörterbuch” von 1809: „Nachhaltigkeit ist das, woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält.” (Joachim Heinrich Campe)
In abgewandelter Form erscheint diese Grundaussage (was tragfähig ist) im Bericht an den Club of Rome (1972). Es wurde nach einem Modell für ein Weltsystem gesucht, das „sustainable” (nachhaltig) ist, was bedeutet, gegen den Kollaps von Gesellschaften gefeit zu sein, der auf die Übernutzung verfügbarer Ressourcen zurückgeht.
Zu allen Zeiten stand das „Grundbedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit” (Ulrich Grober) im Fokus sowie die Beendigung des Raubbaus und die Ökonomie wieder in die Haushaltung der Natur (Linné) zu integrieren.
Wie Ulrich Grober in seinem lesenswerten Buch „Die Entdeckung der Nachhaltigkeit” nachgewiesen hat, ist mit Nachhaltigkeit von den Urtexten bis heute noch eine weitere Konstante verbunden: die Suche nach Sinn und dem guten Leben („Ich habe für mich den Wunsch nach einem „guten und erfüllten Leben”, sagt auch Jutta Heller), das wichtige Ansatzpunkte für die Debatte einer Transformation hin zu nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsformen bietet.
Warum Nachhaltigkeit und Resilienz Krisenbegriffe sind
Nachhaltigkeit ist ein Begriff der Krise. Auch das verbindet ihn mit Resilienz, denn in gesellschaftlichen Krisen wächst das öffentliche Interesse an der Widerstandskraft der Einzelnen.
Resilienz steht für die die intelligente Nutzung begrenzter (eigener psychischer) Ressourcen. Widerstandsfähige Menschen gehen den Ursachen für emotional negative Zustände (Belastungen und Krisen) auf den Grund, fühlen sich nicht als Opfer und verschwenden Ressourcen nicht an Dinge, die sich ohnehin nicht ändern lassen.
So wie sich ein Schwamm bei Druck verformt, so ist es auch bei resilienten Menschen: Sie lassen negativ empfundene Gefühle wie Angst oder Trauer zwar zu, suchen aber wieder sehr schnell nach Wegen, um positive Gefühle zu erleben.
Sie sind optimistisch, haben allerdings keine „rosarote Weltsicht”, sondern sind davon überzeugt, dass momentane schwierige Situationen wieder besser werden – und dass es richtig ist, Dinge anzupacken und einen positiven Ausgang zu erwarten. Wer dazu tendiert, „hat in der Regel auch eine größere Handlungs- und Durchhaltebereitschaft”, so Jutta Heller.
Optimisten rechnen mit dem Erfolg ihrer Handlung und sehen einen Sinn darin. „Sie verfügen über Selbstwirksamkeitserfahrung und glauben an die eigenen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten”, schreibt sie in „7 Schlüssel für mehr innere Stärke”, das primär ein Selbstcoaching-Buch ist, das auf zahlreichen Interventionen der neurolinguistischen Psychologie basiert.
Trotz unterschiedlicher Ansätze überschneiden sich Resilienzkonzepte mit anderen Konzepten wie „Hardiness” (Widerstandsfähigkeit), „Coherence” (Stimmigkeit und Zusammenhang), „Salutogenese” oder „Mindfulness” (Achtsamkeit), die für die Zukunft bedeutet, „die langfristigen Folgen des eigenen Handelns für die Generation unserer Kinder, unserer Enkel und darüber hinaus einzukalkulieren”( Daniel Goleman).
Allen Konzepten gemeinsam ist die individuelle Mitgestaltung des Lebens sowie um die bewusste Nutzung eigener Stärken und Ressourcen.
Innere Stärke durch Selbstverantwortung
Einer der wichtigsten Begriffe bei Jutta Heller, der auch im Nachhaltigkeitskontext von Relevanz ist, ist Selbstverantwortung. Er beinhaltet, „dass wir zu dem, was wir tun oder unterlassen, stehen und die Konsequenzen dafür tragen. Zudem haben wir Mitverantwortung für andere”. Erst, wenn wir Verantwortung für unser Tun und Nicht-Tun übernehmen, dann sind wir, so die Resilienzexpertin, „Gestalter – also Täter – und nicht Opfer in unserem Leben”.
Auch Empowerment („Ermächtigung, Bevollmächtigung, Übertragung von Verantwortung”), ein Schlüsselbegriff in der Diskussion der Zivilgesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements, gehört als Grundhaltung und Werkzeug dazu.
Empowerment verschafft Zugänge zu den eigenen Ressourcen, zu ungenutzten psychologischen Fähigkeiten und Handlungsweisen und wird auch in der Wirtschaft als wirksames Konzept in Management und Führung genutzt. Dazu gehören beispielsweise selbst- und gruppenbezogene Aktivitäten, die Selbstwahrnehmung, Selbstkompetenz und Selbstbestimmung fördern.
Das ist heute besonders wichtig, weil Führungskräfte stark gefordert und neues Handwerkzeuge brauchen, um sich selbst und die MitarbeiterInnen erfolgreich zu führen. Vor diesem Hintergrund entstand das aktuelle Buch von Jutta Heller: „Resilienz. Innere Stärke für Führungskräfte”.
Es enthält neben den genannten Aspekten auch eine Vielzahl von Schwerpunkten, die für Arianna Huffington, Gründerin der Huffington Post, von zentraler Bedeutung sind: dazu gehören u.a. auch die Bedeutung der Empathie und des Schlafs. Denn wer ihn als Zeitvergeudung betrachtet und unverantwortlich mit dieser Ressource umgeht, „hat keine Kapazität mehr frei, sich neuen Herausforderungen zu stellen” (Jutta Heller).
Beide plädieren für eine humane Arbeitswelt, die gegenüber gesellschaftlichen Herausforderungen und Veränderungen nur resilient sein kann, wenn es Führungskräfte und Mitarbeiter ebenfalls sind.
Sind die unzufrieden, zeigt sich dies auch wirtschaftlich. Unzufriedenheit wird meistens durch die direkte Führungskraft verursacht: „Dadurch entsteht eine innere Kündigung der Mitarbeiter, die oft hohe Fehlzeiten zur Folge hat. Dies wiederum ist für jedes Unternehmen eine hohe finanzielle Belastung.” (FAZ, 29.05.2012)
Das bleibt
Sinn liegt nicht einfach vor uns – er offenbart sich und wächst in der Beziehung zu anderen Menschen. Eine nachhaltige Zukunft gibt es nur in der Gemeinschaft, im Zusammenschluss von Menschen, die gemeinsame Ziele einen, die mit unvorhergesehenen Veränderungen umgehen können, die Freude daran haben, ihr Denken zu erweitern, die sich mutig auf unbekanntes Terrain wagen und sich ihren eigenen Unzulänglichkeiten stellen.
Der international gefragte Managementexperte Jim Collins sagt zu Recht: „Die einzig verlässliche Quelle von Stabilität ist ein starker innerer Kern und der Wille, alles zu verändern und anzupassen außer diesem Kern. Niemand kann heute mit Sicherheit sagen, wie es morgen weitergeht und wie sich sein Leben entwickeln wird.”
Zur Person:
Prof. Dr. Jutta Heller, Jahrgang 1961, studierte Politikwissenschaft und Erwachsenenbildung an der Freien Universität Berlin, Universität Bamberg und Universität Stuttgart. Sie ist ausgebildete NLP-Lehrtrainerin, systemische Beraterin, Business Coach und zertifizierte Rednerin. Seit 1990 ist sie als Beraterin für zahlreiche Unternehmen aktiv. 1998/1999 nahm sie sich eine Auszeit in Venezuela.
Seit 2006 ist sie neben ihrer selbständigen Beratungstätigkeit an der Hochschule für angewandtes Management. Sie hatte dort sieben Jahre Führungsverantwortung, zuerst für die Fakultät für Schlüsselqualifikationen und dann für die wirtschaftspsychologische Fakultät. Sie unterrichtet vor allem Training & Business Coaching. Jutta Hellers Kerngebiete bilden Resilienz und Veränderungskompetenz.
Weiterführende Informationen:
Literatur:
- Jutta Heller: Resilienz. Innere Stärke für Führungskräfte. Orell füssli Verlag AG, Zürich, 2015
- Jutta Heller: Resilienz. 7 Schlüssel für mehr innere Stärke. GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH, München 2013.
- Daniel Goleman: Konzentriert Euch! Eine Anleitung zum modernen Leben. Piper München Zürich, 2013.
- Jim Collins, Jerry I. Porras: Immer erfolgreich. Die Strategien der Top-Unternehmen. DTV München 2005.
Über die Autorin
Dr. Alexandra Hildebrandt ist Nachhaltigkeitsexpertin und Wirtschaftspsychologin. Sie studierte Literaturwissenschaft, Psychologie und Buchwissenschaft. Anschließend war sie viele Jahre in oberen Führungspositionen der Wirtschaft tätig. Bis 2009 arbeitete sie als Leiterin Gesellschaftspolitik bei der KarstadtQuelle AG (Arcandor). Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) war sie von 2010 bis 2013 Mitglied der DFB-Kommission Nachhaltigkeit. Den Deutschen Industrie- und Handelskammertag unterstützte sie bei der Konzeption und Durchführung des Zertifikatslehrgangs „CSR-Manager (IHK)“. Alexandra Hildebrandt ist Sachbuchautorin, Hochschuldozentin, Herausgeberin und Mitinitiatorin der Initiative www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de. Sie ist Bloggerin bei der Huffington Post und Co-Publisherin der Zeitschrift „REVUE. Magazine for the Next Society”.