ursprünglich erschienen: 29.11.2016
Dank einer Methode aus der Luft- und Raumfahrt, verwandeln Dr. Christine Arlt und Dr. Ulrich Riedel Naturfasern aus alten Klamotten zu Design-Produkten. Das erste Produkt: ein Bleistift. Im Interview erzählen sie uns von ihrer Motivation manaomea zu gründen, wie der Prozess des Upcylcings in ihrem Fall aussieht und was sie anderen SozialunternehmerInnen mit auf den Weg geben möchten.
Wer seid Ihr und was war die Motivation dahinter manaomea zu gründen?
Wir sind manaomea, ein social startup aus München. Wir machen Design-Produkte aus Bio-Naturfasern und alten Textilien. Unsere ersten Produkte sind Bleistifte.
Unsere Motivation: Wir wollen die Kluft in unserer Welt überwinden.
Wir leben in einer globalisierten Welt, und trotzdem klafft eine Lücke zwischen den Kulturen. Wir haben hunderte chinesische Produkte zu Hause, aber noch nie mit einem Chinesen gesprochen. Vorurteile und Konflikte entstehen durch Distanz. Nur indem wir die unterschiedlichen Kulturen und Kompetenzen zusammenführen, entwickeln wir die Kraft, die Kluft zu überwinden. Wir machen mit „den Anderen“ gemeinsame Sache und entwickeln Produkte, die über Kontinente hinweg Geschichten erzählen. Produkte, die gleichzeitig ganz konkret Ressourcen schonen und Menschen in ärmeren Teilen der Welt ermächtigen.
Warum mit Stiften?
Zum einen bedeuten Stifte Zeit, Raum für Kreativität, für Gedanken, für Sinnliches, für Kunst – für sich selbst. Genau das, was in unserer Zeit viel zu wenig da ist oder sich genommen wird.
Und zum anderen sind in unseren Stiften genau die Rohstoffe, mit denen wir in der unserer Welt etwas bewegen können und genau dort, wo Bewegung sooo nötig ist – in der Textilwelt und in Entwicklungsländern.
Die Textilwelt ist vielleicht die mit der größten Kluft von allen. Allein in Deutschland landen jedes Jahr 100.000 Tonnen Klamotten auf der Mülldeponie. Gleichzeitig produzieren die großen Modeketten täglich Unmengen an neuer Kleidung – in Ländern weit weg von hier, meist ohne Liebe für Umwelt und Mensch. Mit unserem Material können wir diese Welt umkrempeln, von ganz vorne bis ganz hinten. Denn wir nutzen sowohl den Rohstoff an der Quelle (Baumwolle und andere Naturfasern), als auch den Abfall ganz am Ende der Kette.
Beispiel: Die Königin
Unser Sechskantstift „Die Königin“ ist aus Baumwolle und kommt aus Uganda. Sie erzählt von ihren wahren Königen: den Baumwollbauern. Aus deren Leben und Arbeit entstehen tolle Produkte, aber die Gewinne bleiben meist bei internationalen Unternehmen. Die Königin macht das anders. Sie besteht aus regen-bewässerter GOTS-Baumwolle – der ökologischsten und fairsten, die es gibt. Das ist ein erster Schritt, aber langfristig nicht genug: Unser Plan ist, Produktionsanlagen gemeinsam mit den Königen und Königinnen vor Ort aufzubauen, damit sie die Wertschöpfung selbst betreiben und nicht nur Rohstoffe liefern. Dann haben wir die Welt der großen Textilketten wirklich umgedreht.
Wir werden immer und immer wieder davon erzählen
So bringen unsere Bleistifte die Welt ein wenig näher zusammen. Denn nur indem wir immer und immer wieder zeigen, dass wir alle zusammen gehören, können wir die Kluften in unserer Welt nachhaltig überwinden.
Woher kommt der Name/ was bedeutet der Name?
manaomea kommt aus dem Hawaiianischen und bedeutet „Von Geist zu Materie“. „manao“ der Geist – „mea“ die Materie. Auf unseren Visitenkarten steht dazu: Aus gutem Geist wird Materie zum Wohle Aller. Klingt vielleicht etwas schwer – ist aber ganz leicht, weil es uns einfach am Herzen liegt. Und mit unserem Claim: sustainable connecting & creating verbinden wir die zwei Säulen unseres Unternehmens, die Produkte die wir entwickeln und die Geschichten die sie tragen und dahinterstehen.
Ihr macht aus allen möglichen Abfallprodukten Bleistifte, wie geht das?
Naja, nicht ganz aus allen möglichen Abfallprodukten :) - aus Textilien (Fasern, Garne, Gewebe und alte Kleidung) und Biopolymeren. Die Technologie für die Stifte haben wir aus unserem vorigen Leben, der Raumfahrtforschung, mitgebracht. Sie entstammt einem Prozess, der für Satellitenstrukturen genutzt wurde. Wir haben es geschafft diese so abzuwandeln, dass wir statt Kohlenstofffasern Naturfasern nutzen. Sowohl frische Naturfasern wie Jute, Flachs oder Baumwolle, als auch alte Stoffreste. Dazu geben wir z.B. ein Abfallprodukt des Zuckerrohrs und „pultrudieren“ daraus unter Druck und Hitze ein superleichtes und wahnsinnig stabiles Material.
Wie sahen Eure ersten Schritte aus? Und was sind die Next Steps?
Das Patent für die Technologie hat Uli schon seit 2002. Jahrelang blieb es eine ruhende Innovation, die nicht auf den Markt kam. 2005 lernten wir uns am DLR in Braunschweig kennen. Zuerst kam die Liebe, dann die Begeisterung für unser gemeinsames Projekt. Da war dieser liebenswerte, geniale Kopf – Uli – mit seinem Material und der Idee für Stifte. Ich habe gemerkt: Die können etwas viel Größeres sein als einfach nur Stifte aus Textilfasern. Dieses Produkt brauchte eine Seele. Zusammen gründeten wir dann im August 2015 die manaomea GmbH.
Next Steps:
Im Moment produzieren wir unsere ersten Stifte an unserer selbst gebauten Anlage in Stuttgart. Die benötigten Spezialteile und Maschinen haben wir selbst entwickelt, die Anlage gehört uns jedoch nicht und steht auf dem Gelände eines kooperierenden Instituts. Um mit einer größeren Auflage in Serie gehen zu können, müssen wir zunächst unsere eigene Anlage hier in Deutschland bauen. Für die Zukunft ist eine ganze Reihe von Produkten denkbar – von Möbeln bis Laptop-Cases. So wollen wir Stück für Stück Produkte aus Textilfasern und alten Stoffen designen.
Was würdet Ihr anderen SozialunternehmerInnen, die ebenfalls gründen möchten empfehlen?
Authentisch den eigenen Weg finden und gehen. Das beginnt für mich mit der Frage nach dem eigenen „Warum“.
Und ich weiß nicht, ob wir erfolgreich werden und all das bewegen können, was wir uns wünschen, doch glaube ich daran, dass etwas großartiges entsteht, wenn es der wirklich eigene Weg aus Überzeugung ist – vielleicht wird alles ganz anders – aber gut.
Außerdem zu lernen unternehmerisch zu handeln und zu denken, auch wenn es bei manchen Entscheidungen weh tut. Das ergänzt für mich den ersten Punkt. Es braucht beides und viel Mut zur Veränderung der eigenen Person. Denn das passiert und ständig.
Wichtig noch: Ein starkes Unterstützer-Netzwerk aufbauen. Echte „Freunde“ sozusagen, die auch da sind, wenn man selbst oder das Unternehmen gerade strauchelt.
Was macht Euch zu Changern?
Wir möchten die Welt ein Stückchen bunter und ein bisschen sinnlicher & berührender machen. Schöner auch und besser, nach unserem Wertegerüst – natürlich – anders können wir es nicht. Deswegen sprechen wir von der kleinen Revolution. Oft sind Produkte seelenlos und erzählen nichts. Das finde ich supertraurig und gewissermaßen wertlos. Erst mit der Geschichte hinter dem Produkt, ob es die Kunst der Handwerkerin ist oder die Hingabe des Zitronenbauern, erst dann erhält das Produkt für mich Seele und Wertigkeit.
So sollen unsere Stifte von den Baumwollbauern oder den Textilmüllbergen erzählen. Oder von der Industrie in Bangladesch – wie unser „kleiner Rebell“ – der im nächsten Jahr auf den Markt kommt. Ein Stift mit besonderer Form aus Jute. Eine Faser, die sonst nur industriell für Kaffee- oder Kakaosäcke oder Schiffstaue genutzt wird. Hier bekommt der Bauer kaum etwas von seiner Ernte. Wir machen das anders!
Kurz und knapp: Es geht darum, etwas in der Welt zu verändern und im gleichen Zug Produkte zu gestalten, die davon erzählen. Weil sie die Veränderung sichtbar als Design in sich tragen. So entsteht Verbindung von Mensch zu Mensch.
Der Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Startnext verfasst.