Header: Gillnet Salvage © Sea Shepherd
Wenn man an den Schutz der Meere denkt, haben die meisten vermutlich in Plastikabfall verhedderte Schildkröten im Kopf oder den kilometerbreiten Plastikteppich im Pazifik, aber eher weniger das Gewässer vor Usedom. Doch leider gehört die Ostsee zu den am stärksten bedrohten marinen Ökosystemen der Erde. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine besondere Rolle spielen dabei der kommerzielle Fischfang – vor allem die Folgen der Stellnetzfischerei – und Gefahren durch riesige abgetrennte Fangnetze. Als sogenannte Geisternetze treiben diese jahrhundertelang durch die Meere und werden zur tödlichen Falle für Fische und Meeressäuger.
Genau da setzt die Meeresschutzorganisation mit der Baltic Sea Campaign 2021 an. Von Juni bis September 2021 wird in den Naturschutzgebieten im Seegebiet zwischen Flensburg und Rügen patrouilliert. Wir haben CEO und Geschäftsführer Manuel Abraas ein paar Fragen zu seiner wichtigen Arbeit gestellt.
Manuel Abraas © Sea Shepherd
Hallo, willst Du dich kurz für unsere Leser*innen vorstellen?
Sea Shepherd ist eine internationale, gemeinnützige Organisation zum Schutz der Artenvielfalt und der marinen Ökosysteme. Wir wenden innovative Taktiken der Direkten Aktion an, um zu ermitteln, zu dokumentieren und wenn nötig einzugreifen, um illegale Aktivitäten auf See und an Land zu stoppen. Ein Schwerpunkt unserer internationalen Kampagnenarbeit ist der Kampf gegen illegale, unregulierte und undokumentierte Fischerei (IUU-Fischerei), die zu einer der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt unserer Meere geworden ist. Mit unserer Arbeit beenden wir Wilderei, sorgen dafür, dass Schutzgesetze beachtet werden und verhindern die Zerstörung und Ausbeutung der marinen Lebensräume. Unser Ziel ist es, unsere Ozeane für nachfolgende Generationen zu schützen und zu erhalten.
Sea Shepherd Deutschland ist nur ein Teil dieser weltweiten Bewegung, aufgeteilt in zehn Ortsgruppen, verteilt auf das gesamte Bundesgebiet.
Kampagnenvideo der Baltic Sea Campaign 2021
Bei tbd* geht es ja um die Arbeit mit Sinn. Welche Werte sind euch wichtig an eurem Arbeitsplatz? Was verkörpert Sea Shepard für euch?
Wir arbeiten in allen Bereichen mit allen Menschen dieser Welt zusammen, ungeachtet von Herkunft, Hautfarbe oder religiöser Zugehörigkeit für den Erhalt des Ozeans. Rassismus, Diskriminierung etc. haben bei uns keinen Platz und werden ihn auch nie bekommen. Gegenseitiger Respekt, Toleranz und Akzeptanz sind wichtige Pfeiler unserer gemeinsamen Arbeit.
Wir waren schockiert zu lesen, dass die Ostsee zu den am stärksten bedrohten maritimen Ökosystemen gehört. Welche Faktoren führ(t)en dazu?
Die Ostsee reagiert als sog. Binnenmeer oder auch Brackwassermeer sehr empfindlich auf Veränderungen von außen. Der Salzgehalt ist eher niedrig. Der Zufluss bzw. Austausch mit salzhaltigem Wasser aus der Nordsee im Westen ist eher gering und dauert lang, der Zufluss von Süßwasser aus dem Osten durch Flüsse ebenso. Früher war die Ostsee ein eher nährstoffarmes Meer, doch ständige Eingriffe des Menschen (sog. Eutrophierung/Nährstoffeintrag) durch Landwirtschaft, Düngung etc. machten es zu einem nährstoffreichen Meer. Darum kommt es auch immer öfter zu der bekannten und vermehrten Algenblüte, die wiederum für sauerstoffarme Zonen sorgt. Dort gibt es dann wenig bis gar kein Leben mehr. Ressourcenabbau, Schifffahrt und Fischerei setzen der Ostsee zusätzlich sehr zu.
Die "Emanuel Bronner" in Action © Sea Shepherd
Ihr werdet ja von Juni bis September 2021 die Naturschutzgebiete im Seegebiet zwischen Flensburg und Rügen patrouillieren und unter anderem Verstöße gegen bestehende Schutzgesetze melden. Wie kann man das sich als Laie* vorstellen?
Wir patroullieren mit einem Schiff, der "Emanuel Bronner", verschiedene Meeresgebiete der Ostsee und werden die Netze, die wir dort finden, kontrollieren. Sind sie wie vorgeschrieben gekennzeichnet? Stehen sie in Gebieten, die für Fischerei vorgesehen sind? Sind die Maschengrößen der Netze korrekt? Sollte es Verstöße geben, werden wir diese den zuständigen Behörden melden. Zusätzlich werden wir alle Geisternetze, die wir finden, bergen, soweit uns das möglich ist. Geisternetze sind im Grunde verlorengegangenes Fischereiequipment und stellen eine riesige Gefahr für alle Meereslebewesen dar, denn sie töten über Jahrhunderte weiter.
Welche Möglichkeit gibt es für die Zivilgesellschaft, etwas gegen die Ausbeutung der maritimen Ökosysteme zu unternehmen?
Verzicht oder Reduzierung des Konsums von Fisch und anderen Produkten aus dem Meer. Unser Motto lautet "Nur 100% Verzicht ist absoluter Meeesschutz". Zudem kann man selbst aktiv werden oder NGOs wie Sea Shepherd durch Spenden unterstützen. Wer selbst aktiv werden möchte, kann an den von Sea Shepherd initiierten Beach Clean-Ups teilnehmen. Alternativ kann man unsere Baltic Sea Campaign aber auch ganz einfach mit dem Erwerb eines Produkts aus der Baltic Sea Campaign 2021 Kollektion unterstützen, die wir eigens mit dem nachhaltigen Label derbe Hamburg lanciert haben.
Gibt es „nachhaltige Fischerei“, wie es manche Labels auszeichnen?
Ganz klares Nein! Solange der Profit im Vordergrund steht, wird es immer auch Labels geben, die dem Verbraucher eine nachhaltige Fischerei vorgaukeln wollen. Dies ist unserer Meinung nach Augenwischerei, damit der Verbraucher sich wohlfühlt und kein schlechtes Gewissen bei seinem Einkauf hat.