„Wie krass! Das sollten mal alle hören die da draußen mit ihrem „Das-kann’s-doch-nicht-gewesen-sein-ich-wollte-doch-was-Sinnvolles-machen-jetzt-sitz‘-ich-den-ganzen-Tag-an-irgendwelchen-e-mails“-Job hadern und sich nach einer Arbeit sehen, die sie wirklich glücklich macht!“ – Das war der Gedanke, der mich im Oktober 2016 durchfahren hat, nach meinen ersten Interviews mit erfolgreichen und glücklichen Social Changern, Unternehmern und Visionären. Und zwar nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder: Seit fast einem halben Jahr habe ich viel Zeit investiert, um Menschen für meinen neuen Podcast zu interviewen, die wirklich glücklich sind mit dem was sie tun, und die damit die Welt ein Stück besser machen. Ich habe von Anfang an gehofft, dass diese Menschen Spannendes zu erzählen haben, aber die Interviews haben immer wieder meine Erwartungen übertroffen: Dieser Erfahrungsschatz macht es wirklich möglich, den eigenen Traumjob zu finden, und ihn nicht nur zu finden, sondern ihn auch zu verwirklichen, zu erschaffen und damit glücklich zu werden.
Was hilft also, um herauszufinden, wo dein Platz ist in dieser Welt, deine ganz persönliche Nische, dein Traumjob, der dich glücklich und gleichzeitig die Welt besser macht? Fangen wir an…
Dich selbst kennenlernen und ausprobieren
„Mach das was ich nie gemacht habe: Mach ne Weltreise, fahr irgendwo rum, tu was dich interessiert! Und wenn du am Schluss total abgebrannt bist und bei deinem Freund auf der Couch übernachten musst, dann ist das auch ne wertvolle Erfahrung; das gehört dann halt dazu!“ (Robert Heine, mit 30 Jahren erfolgreicher Gründer eines eigenen Unternehmens, das ein ausgeklügeltes Monitoringsystem an Businesskunden verkauft).
Da sind sich so ziemlich alle der Interviewees einig: Du kannst am Anfang gar nicht wissen, wo deine Lebensaufgabe und dein Traumjob liegen! Ja, es wäre schön oder? Schule, dann Uniabschluss, und dann berühmt und erfolgreich werden und die Welt verändern! So habe ich mir das auch mal vorgestellt, und lange darunter gelitten, dass es eben doch nicht so einfach geht. Aber wenn du’s dir mal genau überlegst: ist es nicht so, dass zuerst über deine Erfahrungen herausgefunden hast, wofür du wirklich brennst und was dir am Herzen liegt? Dein Auslandsstudium, die verrückten Typen die du auf deinem ersten Backpackingtour kennengelernt hast, die lessons learned aus deinem ersten Job und nicht zuletzt deine Krisen?
Eigentlich ist es doch logisch: Du musst vieles (vieles!) ausprobieren, um zu merken, wo deine Leidenschaften und deine Stärken liegen und welche Themen und Probleme unserer Welt dich berühren, bis du weißt, wo dein Platz ist. Erst dann kennst du dich selbst und deine innere Sehnsucht so gut, dass du deine Lebensaufgabe erkennen kannst wenn sie die über den Weg läuft! Diese Phase gehört einfach dazu. Und: Sie kann sogar Spaß machen! Aber nur, wenn du dir diese Zeit zugestehst und vor Kursänderungen keine Angst hast.
Frey Faust aus einem der Interviews, Bewegungsexperte und Tanzlehrer (er hat selbst so ziemlich alles ausprobiert, was mit Bewegung und Körper zu tun hat): „Das Ausprobieren und Suchen gehört doch dazu! Viele scheinen das abkürzen zu wollen und sind frustriert, dass sie nicht wissen, was sie tun wollen. Dabei gehört doch diese Phase einfach dazu! Es gab diesen Wissenschaftler, der mit Motten experimentiert hat und versucht hat ihnen zu helfen, aus ihrem Kokon herauszukommen, was für diese Insekten eine echt mühselige Arbeit ist. Er hat ihnen ein Loch in den Kokon gemacht und ihnen so diese Mühe abgenommen, und die Motten sind gestorben! Ihr Immunsystem war noch nicht fertig für die Welt! Genauso ist es bei uns: Es braucht diese Phase des Ausprobierens. Ja, es ist eine Anstrengung; und es sind dein Fokus und dein Commitment dir selbst gegenüber, die dich letztlich dein Ziel erreichen lassen.“
Oder auch Miguel Lozano: Er ist heute einer der weltbesten Freediver, und als ich ihn gefragt habe, wie er dorthin gekommen ist, hat er geantwortet: „Weißt du, ich hab mich einfach von dem leiten lassen was mir Spaß gemacht hat: Ich hab schon immer das Meer geliebt, ich hab das Reisen geliebt, und ich hatte jahrelang einen Job zum Geldverdienen und bin einfach so viel es ging gereist. Und irgendwann bin ich auf das Freitauchen gestoßen und bin einfach mehr und mehr eingestiegen. Erst für mich selbst, dann mit Freunden, und irgendwann habe ich dann mit meinen Kollegen eine Schule aufgemacht, und dann später noch eine und noch eine. Ich hab das nie geplant. Ich glaube es ist wichtig, dich von dem leiten zu lassen, was dir Spaß macht.“
Oder Felix Weth, Gründer von Fairmondo, der nachhaltigen Alternative zu Amazon: Er hat eine Zeit lang mit Kindersoldaten im Kongo gearbeitet und dort die Menschen gesehen, die den Preis zahlen für unseren Konsum in Deutschland. Und er hat dort gemerkt: „Das will ich nicht unterstützen! Das muss auch anders gehen!“
Auch wenn du dir die Lebensläufe von diesen Menschen durchsiehst, merkst du, wie viel diese Menschen ausprobiert haben bis sie bei ihrer Nische gelandet sind - und dann waren sie bereit, da dran zu bleiben und in die Tiefe zu gehen. Also: Gib dir selbst genügend Zeit zum Ausprobieren, und lass dich leiten von dem, was dir Freude macht und was dich berührt. Diese Phase ist die Basis für alles Weitere – denk an die Motte!
Den Kontext ändern
Warst du einmal auf einem Seminar, oder auf einer Reise wo du auf einmal unter völlig neuen Menschen warst? Die ganz andere Lebenserfahrungen und Sichten auf die Welt hatten? Und hast du gemerkt wie du dort selbst in kürzester Zeit ganz andere Sichtweisen, Gedanken und sogar Emotionen hattest? Das ist, was einer der Interviewpartner „den Kontext ändern“genannt hat, und das ist eine weitere Sache, bei der sich so ziemlich alle Experten einig waren: Um herauszufinden, was dir Spaß macht und wo dein Platz ist, darfst du nicht dort suchen wo du schon bist. Sondern: Du musst den Kontext ändern und ganz neue Erfahrungen machen, mit Menschen sprechen die anders denken, unter andern Umständen leben. Auch das gehört dazu zum Finden deiner Aufgabe, es hilft dir, dich selbst anders und besser zu erkennen.
Raphael Fellmer von Foodsharing zum Beispiel, der selber acht Jahre ohne Geld gelebt hat und in der Zeit unter anderem über den Atlantik gesegelt und dann durch Südamerika gereist ist: „Es ist ganz wichtig, sich einzugestehen wenn etwas nicht dein Ding ist. Dann lieber abbrechen, ein Sabbatical machen, dich aus deinem Kontext und Weltanschauungsumfeld lösen und neue Erfahrungen machen. Ich glaube dass wir alle so mannigfaltig sind, dass wir uns die Zeit geben sollten, immer wieder andere Perspektiven zu erbleben.“
Oder folgender Tipp: „Ich glaube es ist ungemein hilfreich, dorthin zu gehen, wo die Menschen gar nichts haben. Mal einen Monat dort zu verbringen, wo die Menschen wirklich arm sind. Das setzt dich selbst in eine neue Perspektive und du merkst, dass es ein unglaubliches Privileg ist, dir deinen Job so suchen zu können, dass du glücklich bist.“ – Wer das gesagt hat? Kein Entwicklungshelfer oder in die NGO-Gründer, sondern Frey Faust als Tanzlehrer und Bewegungsexperte(!).
Oder Jörg Wilhelm, seit vielen Jahren erfolgreich als Unternehmensberater, Trainer und Coach: „Ich würde mich auf irgendein Seminar anmelden. Ich hab mich mal auf ein Vertriebsseminar angemeldet, und hab mich dabei geirrt und das war dann ein Selbsterfahrungsseminar. Und das war super und genau was ich brauchte damals. Ich habe mich sozusagen unbewusst, aber systematisch verirrt. Es kann auch ein gutes Buch sein, das kann auch eine Begegnung mit einem Menschen sein der etwas total Verrücktes macht. Aufmerksam zu sein für das, was sich mir in meinem Umfeld zeigt, was anders ist und was mich irgendwie anzieht. Bei mir ging das oft über Seminare, weil das ein Umfeld ist, das gezielt und komplett anders ist und dich sofort total einnimmt.“
Oder Felix wieder: „Wichtig ist auch mit Menschen sprechen, vor allem mit Menschen die anders denken als die in deinem Umfeld. Du kannst mit jedem Menschen auf der Straße über die wesentlichen Dinge des Lebens sprechen: ‚Was ist wichtig? Was willst du tun mit deiner Arbeit und mit deinem Leben?‘ Und das bringt dich weiter.“
Also: Den Kontext ändern ist essenziell, um herauszufinden, was du wirklich willst im Leben. Reisen, mit unkonventionellen Menschen in unkonventionellen Settings zusammensein, Seminare machen, Dinge in deinem Leben anders tun: All das hilft dir, dich selbst neu kennen zu lernen, dich aus deinen bisherigen Verhaltensmustern zu lösen und deinem Leben deine ganz persönliche Richtung zu geben.
Offen sein statt Ziele setzen
im Sommer 2013 war ich sehr frustriert: ich hatte an einem Zielerreichungsprogramm teilgenommen, einen Monat lang, und als dann der Tag kam für mein großes Ziel – bei mir eine Art Flashmob – ist keiner gekommen und ich stand alleine da. Dabei hatte ich doch mein Ziel gesetzt und täglich meine Schritte dorthin gemacht!? – Ja, sich Ziele setzen und dann konsequent verfolgen, das ist wichtig. Das haben wir so gelernt. Oder? Auch das hab ich meine Interviewpartner gefragt – und: Surprise surprise!
„Ich würde mich erst mal dem Flow des Lebens hingeben. Und immer wenn ich an eine Wegkreuzung komme, mich fragen: Wie stark begeistert mich das denn? Ist das denn etwas für mich? Und wenn ich es noch nicht weiß, vielleicht ein Stück länger abwarten, mir Zeit geben in dieser hektischen Welt, bis die Entscheidung von selber kommt. – Meine Basisphilosophie: Das Leben hat immer recht.“ (Jörg Wilhelm).
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Oder Christiane Schmidt, Coach und Trainerin sowie Projektleiterin bei internationalen Entwicklungshilfeprojekten: „Ich habe das überhaupt nicht geplant; ich glaube auch nicht dass man das planen kann mit seiner beruflichen Entwicklung. Ich selbst habe schon so viele Sachen gemacht, dass es sich anfühlt als hätte ich schon mehrere Leben gelebt: Travel agent, Friedensarbeiterin, Bänkerin. Aber es hat sich immer eines aus dem anderen ergeben und unerwartet gefügt. Ich glaube das Leben kann man nicht planen. Aber Augen und Ohren offen halten hilft auf jeden Fall.“
Und auch sonst in meinen Interviews mit diesen glücklichen Weltverbesserern: Keiner hat von Zielsetzung und Zielerreichung geredet, sondern von Inspiration, von offen sein, von Neues-ausprobieren. Ja klar, manchmal muss man sich Ziele setzen und was durchziehen im Berufsleben, aber das machen die meisten von uns sowieso. Und wenn diese Menschen einmal ihre Nische gefunden haben, dann sind sie auch sehr sehr gut im Dranbleiben und in die Tiefe gehen. Aber auf dem Weg dorthin, auf dem Weg zu deiner persönlichen Aufgabe, die dich wirklich glücklich macht, braucht es vor allem offene Augen und Ohren, um zu merken, wo es für dich weitergeht, und wo dein nächster guter Schritt zu tun ist.
Deinen Traumjob erschaffen
Hast du je Monster.de, Greenjobs.de oder tbd* aufgemacht und dabei gehofft, du würdest hier und heute deinen Traumjob und deine Lebensaufgabe finden? Wo du vom ersten Tag an glücklich bist und den Impact erreichst den du in der Welt bewirken möchtest? Wäre schön oder;-)? Das ist noch eine Sache die mir meine Interviewees zwar nicht direkt gesagt haben, die aber unmittelbar aus ihren Lebensläufen herausschreit: deine Nische, deine letztendliche Lebensaufgabe ist immer ein Stück handmade, die kriegst du nicht auf dem Silbertablett serviert. Klar, es hilft, einen Job anzunehmen der zu dir passt und wurde mit Menschen arbeitest die dir gut tun. Aber um wirklich deine Berufung zu leben und wirklich aufzublühen in dem was du tust bist du selbst gefragt: du musst dir deinen Job schon so einrichten dass er zu dir passt, dass du deine Stärken voll einsetzen kannst und dass er dich jeden Tag aufs Neue inspiriert. Und das geht, das geht wirklich, egal ob du Freiberufler bist, Unternehmer oder Angestellter.
Ein Beispiel? Isabella Klien aus Salzburg hat jahrelang im Marketing gearbeitet, und gerade in dem Moment als sie alleinerziehende junge Mutter war und eigentlich 1.000 andere Sorgen hatte hat sie gemerkt „Es geht nicht mehr; ich will endlich auf meine eigene Weise mit Unternehmen zusammenarbeiten, und ich will auch nicht mehr meine Weltanschauung verstecken.“ Und sie hat gemacht. Am Anfang mit Herausforderungen, aber schließlich als erfolgreiche Unternehmensberaterin, die gleichzeitig bekennende Buddhistin und Schamanin ist.
Fazit
Und jetzt? Ja ich weiß, all diese Dinge brauchen Zeit. Keine Abkürzung, eher the long way home. Lohnt es sich wirklich da dran zu bleiben? Yep, es lohnt sich. Denn die Erfüllung, die du in deiner ganz persönlichen Lebensaufgabe finden kannst, die gibt es wirklich nur da. Und: wenn du glücklich und voller Enthusiasmus bist mit dem was du tust, dann reißt du auch andere Menschen mit und erreichst damit den Impact, der unsere Welt wirklich verändern kann. Sei es dir wert, lass die Welt es dir wert sein.
Über den Autor
Tobias März ist Ingenieur für Solarenergie und überzeugt davon, dass es möglich ist gleichzeitig Freude und tiefen Sinn im eigenen Job zu erleben. Seit Januar 2017 interviewt er für seinen Podcast Menschen, die damit erfolgreich sind. Außerdem gibt er Workshops und Einzelbegleitung. Mehr unter: www.tobiasmaerz.de