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„Jetzt reicht es wirklich – ich kündige!“ – hattest du diesen Gedanken auch schon einmal? Dann möchte ich dir hier ein paar Gründe nennen, warum genau das nicht der Moment sein sollte, indem du tatsächlich gehst.
Natürlich spreche ich hier nicht von arbeits- oder gar strafrechtlich relevanten Umständen, die dich zur Kündigung bewegen. Das ist etwas anderes. Mir geht es um den Frust im Job, der sich oft ansammelt und dann nur einen Tropfen braucht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Es gibt dann diesen einen Moment, in dem du am liebsten sofort das Kündigungsschreiben verfassen möchtest.
Nichts hält dich davon ab, dir wirklich einen neuen Job zu suchen – ich lade dich nur ein, davor einmal innezuhalten.
Sicher möchtest du in deinem neuen Job nicht noch einmal dieselben Erfahrungen machen und ähnlichen Frust erleben. Das könnte aber passieren, wenn du im Affekt kündigst und dir Hals über Kopf etwas Neues suchst. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist sogar sehr hoch.
Gönne dir ein bisschen Zeit, um herauszufinden, was dir wichtig ist und warum du Frust empfindest. Folgende Fragen können dir dabei helfen:
Was genau stört dich?
Bist du auf der inhaltlichen, persönlichen oder strukturellen Ebene unzufrieden?
Wenn wir unzufrieden sind, vermischen wir diese drei Ebenen oft. Mit der inhaltlichen Ebene meine ich deine konkreten Aufgaben im Job. Die persönliche Ebene betrifft die Menschen, mit denen du zusammenarbeitest und das Wie eurer Zusammenarbeit. Unter der strukturellen Ebene verstehe ich die Rahmenbedingungen unter denen du deine Arbeit verrichtest.
Folgende Überlegungen können dir helfen, herauszufinden, auf welcher Ebene (oder sind es mehrere?) dein Frust entsteht:
Tritt innerlich einen Schritt zurück und frage dich: Ist dein Team okay, aber deine Aufgaben langweilen oder überfordern dich? Passen sie nicht zu deinen Fähigkeiten und Interessen?
Dir gefallen deine Aufgaben, du gerätst aber immer wieder mit Kolleg*innen oder Chef*innen aneinander? Oder du bist einfach müde vom vielen Pendeln und sinnlosen Besprechungen?
Beobachte dich und versuche herauszufinden, wann du Stress und Frust empfindest. Ist es immer in Meetings oder immer bei bestimmten Aufgaben? Machst du deine Arbeit gerne und es stört dich, wenn du dabei unterbrochen wirst? Oder freust du dich über jede Ablenkung, weil du dann nicht deine eigentliche Arbeit tun musst?
Wenn du auf der inhaltlichen Ebene unzufrieden bist:
Frage dich, was genau dich an deinen Aufgaben stört. Die meisten Tasks bestehen aus vielen kleinen Bausteinen und oft stören uns nur bestimmte Aspekte. Magst du es, Aufgaben zu planen und zu konzipieren, bist aber von der Umsetzung gelangweilt? Oder andersherum? Ist dir die Auswertung und Analyse ein Graus oder würdest du am liebsten nur Zahlen auswerten? Vielleicht stört es dich auch, dass du immer nur Bruchstücke von einem Projekt bearbeitest und nicht das große Ganze überblickst. Oder dein Entscheidungsrahmen ist zu klein. Vielleicht fühlst du dich auch überfordert, weil du zu wenige Informationen hast um deine Aufgaben gut zu bearbeiten.
Wenn du auf der persönlichen Ebene unzufrieden bist:
Wenn etwas persönlich „nicht stimmt“, fühlen wir uns häufig nicht wertgeschätzt oder unfair behandelt. Folgende Fragen können dir helfen, dieses Gefühl zu analysieren: Welche deiner Werte werden verletzt oder welches deiner Bedürfnisse wird nicht befriedigt? Wenn etwas, das deine Kolleg*innen oder Chef*innen tun, Frust in dir auslöst, dann wahrscheinlich, weil dabei eines deiner Bedürfnisse verletzt wurde: zum Beispiel das Bedürfnis nach Anerkennung, Transparenz, Gleichberechtigung oder Eigenständigkeit.
Finde heraus, welches deiner Bedürfnisse in welchen Situationen verletzt wird. Das ist gar nicht so einfach, weil Wut und Frust starke Emotionen sind, die unsere rationale Seite überlagern. Oder wir kennen unsere eigenen Bedürfnisse gar nicht so genau. Schon eine einmalige Sitzung bei einem Coach kann hier sehr helfen, um Klarheit zu gewinnen. Oder auch das Gespräch mit einer guten Freundin oder einem guten Freund. Indem du der anderen Person die Situationen schilderst, kannst du selbst etwas Abstand gewinnen.
Wenn du auf der strukturellen Ebene unzufrieden bist:
Dein Arbeitgeber gestattet kein Homeoffice und du musst lange zur Arbeit pendeln? Oder die Arbeitszeiten passen schlecht zu deinem (Familien-)leben und du brauchst mehr Flexibilität? Vielleicht würdest gerne weniger reisen oder wünschst dir eine bessere Büroausstattung. Oder du leidest unter gesundheitlichen Belastungen bei der Arbeit, wie zu hoher Lautstärke.
Die Störungen, die von solchen strukturellen und organisatorischen Problemen ausgehen sind oft massiv und überschatten alles andere. Traue dich, dein Traumszenario zu entwerfen, wie du gerne arbeiten würdest – und lege dann fest, wo du kompromissbereit sein möchtest.
Ist es wirklich der Job?
Diese Frage ist etwas frech. „Klar – mit einem neuen Job würde es mir viel besser gehen“, antworten wir überzeugt. Gleichzeitig ist der Job nur ein Teil des großen Puzzles, das unser Leben ausmacht. Wir tendieren aber dazu, ihn mit Bedeutung zu überfrachten – und ihn vorschnell als Grund unseres Unwohlseins auszumachen. Manchmal verlangen wir mehr von unserem Job, als dieser uns geben kann. Denn er allein kann uns nicht glücklich machen. Ich möchte diese Frage hier mit dir teilen, um dich ein bisschen zu ärgern und deinen Blick zu weiten, was die Suche nach den Ursachen deines Unwohlseins angeht. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es sehr hilfreich ist, auch über den Job hinaus zu denken, wenn man das Gefühl hat, dass „irgendwas nicht passt“. Ob du den Job trotzdem wechselst, bleibt davon unabhängig.
Wie kannst du es ändern?
Der wichtigste Schritt ist getan, wenn du dich mutig der Analyse des Ist-Zustands gestellt hast. Du hast dich getraut, hinter deinen Frust zu schauen und zu hinterfragen, was es genau ist, das dich stört. Es ist nicht leicht, sich mit negativen Emotionen zu beschäftigen, daher herzlichen Glückwunsch!
Jetzt kannst du dich der Frage widmen, was sich verändern muss, damit du dich wohler fühlst. Würdest du gerne bestimmte Aufgaben abgeben, um dich anderen Dingen verstärkt widmen zu können? Oder wünschst du dir eine wertschätzendere Feedbackkultur? Brauchst du flexiblere Arbeitszeiten, mehr Homeoffice oder klarere Zuständigkeiten? Vielleicht möchtest du endlich mal ein Projekt selbst leiten oder du brauchst ein*e zusätzliche*n Mitarbeiter*in im Team. Formuliere so konkret wie möglich, was du brauchst.
Beginne dein Change-Experiment!
Erinnerst du dich…du warst schon kurz davor, deinen Job hinzuschmeißen. Also kannst du ihn jetzt genauso gut für ein Experiment nutzen! Kündigen kannst du dann immer noch.
Versuche, in deinem aktuellen Job deine Änderungswünsche anzubringen. Du wirst staunen, wie viel möglich ist, wenn du deine Anliegen klar schilderst.
Bevor du in ein solches Gespräch gehst, solltest du einen klaren Lösungsvorschlag erarbeitet haben. Du findest die Meetings zu unstrukturiert und lang? Dann mache einen Vorschlag, wie man sie anders strukturieren könnte. Du fühlst dich von einem Kollegen schlecht behandelt? Dann formuliere klar, was wertschätzende Kommunikation für dich beinhaltet. Du möchtest eine Aufgabe loswerden? Dann begründe, warum sie nicht zu deiner Stelle passt und weshalb es besser wäre, wenn jemand anderes sie übernimmt. Wenn du gerne mehr im Homeoffice arbeiten würdest, kannst du einen Vorschlag erarbeiten, welche Aufgaben du im Homeoffice ungestört bearbeiten möchtest und zu welchen Meetings zu im Büro anwesend bist.
In meinem Job als Marketing Managerin einer Agentur war ich aufgrund sehr hoher Arbeitsbelastung frustriert. Ich erfasste daher für eine Weile, wie viele Stunden ich für welche Aufgaben arbeitete. Die Ergebnisse trug ich in einer Excel Datei zusammen und legte sie meinem Chef vor – auf dieser Basis forderte ich eine zusätzliche Mitarbeiterin im Team. Es hat geklappt.
Suche die notwendigen Gespräche, um deine Anliegen vorzubringen. Traue dich, für deine Wünsche einzustehen. Wenn es gut läuft, veränderst du deinen bestehenden Job so, dass du es noch eine Weile länger dort aushältst. So kannst du dir mehr Zeit bei der Jobsuche lassen und sichergehen, dass du dieses Mal etwas findest, das wirklich zu dir passt. Schließlich hast du einen Prozess durchlaufen, indem du deine Wünsche und Prioritäten gut kennengelernt hast.
Vielleicht lernst deinen aktuellen Job durch die erfolgten Änderungen auch ganz neu zu schätzen. Oder du hast festgestellt, dass es eigentlich gar nicht der Job ist, der dich belastet – und versucht nun, in deinem privaten Alltag positive Veränderungen anzustoßen.
Wenn es schlecht läuft, dann werden deine Vorschläge nicht gehört und du kannst du in deinem Job keine Änderungen bewirken. Aber dann hast du es wenigstens versucht und dabei viel über dich selbst gelernt! Dieses Wissen hilft dir, im nächsten Job nicht wieder in die gleiche „Falle“ zu tappen. Du kannst zukünftig schon früher erkennen, ob deine Bedürfnisse und Vorstellungen erfüllt werden. Dazu kann ich dir nur gratulieren!
About
Anna ist Marketingleitung von ElternLeben.de, der Online-Plattform des Sozialunternehmens wellcome gGmbH. Zu wellcome kam sie über die Teilnahme am On Purpose Programm im Jahr 2016. Vor dem Wechsel in den sozialen Sektor war Anna Marketing Managerin in einer E-Commerce Agentur.
Anna ist fasziniert von persönlicher und beruflicher Weiterentwicklung und lässt sich als Ausgleich zur Arbeit im Homeoffice von biografischen Geschichten inspirieren – oder von Menschen, die gerade dabei sind, Geschichte zu schreiben. Hier findet ihr ihre Webseite.