In zwei Jahren das Bildungssystem auf den Kopf stellen?

Ein Erfahrungsbericht von Tobias Feitkenhauer zum Leadership-Programm von Teach First Deutschland.

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von Tobias Feitkenhauer, April 2, 2018
Teach First Deutschland

Tobias Feitkenhauer ist seit eineinhalb Jahre als Fellow von Teach First Deutschland an einer Gesamtschule in Heidelberg tätig. Hier berichtet er von seinen Erlebnissen und zieht ein erstes Resümee:

Im September 2016 habe ich über Teach First Deutschland meinen zweijährigen Einsatz für mehr Bildungsgerechtigkeit begonnen. Ich setze mich seitdem als Fellow (Lehrkraft auf Zeit) an der Geschwister-Scholl-Schule in Heidelberg für Bildungsgerechtigkeit ein. Vor meinem Startdort habe ich schon einmal meine Gedanken mit der tbd*-Community geteilt. Und nun, wo sich meine Zeit als Fellow langsam dem Ende zu neigt, ist es Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen.

Meine Kollegen sehen mich als Co-Klassenleitung, Lehrer und Innovator, der ständig neue Ideen für neue Projekte hat. Und ich selbst? Ich selbst sehe mich als Impulsgeber, der neue Methoden ausprobiert, Ideen weiterträgt und seine Schüler dazu zu motiviert, die Extrameile zu gehen.

Ich erinnere mich noch recht genau an den ersten Tag an der Geschwister-Scholl-Schule. Ende September, die Sonne scheint und der Himmel ist blau. Aufgeregtes Gerede, fröhliche Begrüßungen nach den langen Sommerferien und ich stehe mitten drin. Es ist nicht der erste Schultag, sondern der Tag der Gesamtlehrerkonferenz, Freitag vor dem ersten Schultag. Ich stelle mich ein paar Kollegen vor, während ich Ausschau nach Frau Horn, der Direktorin, halte. Immerhin soll ich mich heute noch dem ganzen Kollegium vorstellen und habe dafür extra eine Präsentation erstellt. Dann beginnt die Konferenz und nach der Begrüßung durch die Schulleitung und der Vorstellung der neuen Lehrer und Referendare komme ich dran. So beginnt mein Abenteuer als Fellow in Heidelberg.

Fellow sein. Was bedeutet das eigentlich?

So ganz klar war mir das zu Beginn meines Abenteuers Schule nicht. Nach rund eineinhalb Jahren kann ich sagen, dass Fellowsein das ist, was man draus macht. Meine Schüler sehen mich in erster Linie als Lehrer und jemanden, der nicht aufhört, an sie zu glauben. Meine Kollegen sehen mich als Co-Klassenleitung, Lehrer und Innovator, der ständig neue Ideen für neue Projekte hat. Und ich selbst? Ich selbst sehe mich als Impulsgeber, der neue Methoden ausprobiert, Ideen weiterträgt und seine Schüler dazu zu motiviert, die Extrameile zu gehen.

Fellow sein bedeutet aber auch, jeden Tag in einem System zu arbeiten, das sich, wenn überhaupt, nur schwerfällig bewegt. Es bedeutet, jeden Tag Hürden zu überwinden. Für jede dieser Hürden, der ich mich im Laufe der Zeit stellen durfte, bin ich dankbar. Denn sie haben mir viele wichtige Lernerfahrungen geboten. Wenn ich meinem jüngeren Ich drei Ratschläge mit auf den Weg geben könnte, dann wären es folgende:

  1. Setze einen Fokus und sage „Nein“: Innerhalb der Schule gibt es viele Möglichkeiten, außerhalb gibt es noch mehr verlockende Angebote. Ein klarer Fokus hilft nicht nur deinen Schülern, sondern auch dir selbst.
  2. Jeder Schüler hat Potential. Doch manchmal ist man selbst nicht die richtige Person, um den Schüler bei der Entfaltung dieses Potentials zu unterstützen. Das liegt nicht an dir, sondern an Umständen, die außerhalb deiner Kontrolle liegen.
  3. Ein starkes Netzwerk ist der Schlüssel zum Erfolg. Nutze Fortbildungen, Fachforen und Konferenzen in deinem Interessenbereich, um ein Netzwerk aufzubauen. Tausche dich regelmäßig aus und bitte um Hilfe – du wirst sie in den meisten Fällen bekommen.

Schaue ich auf die letzten eineinhalb Jahre, sehe ich gescheiterte Projekte (Reise nach England), AGs, die nie wie geplant verliefen (Tanz-AG), aber auch Veränderungen, die sich durchgesetzt haben (Schüler, die wieder regelmäßig zum Unterricht kommen oder freiwillige Prüfungsvorbereitung).

Geprägt wurde diese Zeit auch durch zwei Erkenntnisse. Erstens: Veränderung braucht Zeit und Durchhaltevermögen. Systemische Veränderung in zwei Jahren ist kaum zu schaffen, aber man kann als Fellow einen kleinen Beitrag dazu leisten. Zweitens: Egal ob Fellow oder Lehrer, die meisten von uns haben ein Ziel: Unsere Schüler erfolgreich mit Abschluss und Ausbildung in der Tasche durch die Schule bringen und bei ihnen Begeisterung für die Themen zu entfachen, für die wir selber brennen.

Nach fast zwei Schuljahren kann ich mit Erfahrung sagen, dass das Schulsystem definitiv ein tiefgreifendes Update benötigt. Denn Bildungsgerechtigkeit ist ein Ziel, von dem wir momentan noch weit entfernt sind. Vor allem deshalb bin ich dankbar, dass trotz der vielen Herausforderungen des Systems so viele kompetente Menschen an der Basis arbeiten, die Tag für Tag ihr Möglichstes geben, um mit den Kindern und Jugendlichen von heute den Grundstein für eine gute Zukunft von morgen zu legen.

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Ich bin dankbar für die vielen Erfahrungen, die ich machen durfte und kann das Fellowship von Teach First Deutschland für jeden empfehlen, der sich für Bildungsgerechtigkeit in der Schule einsetzen möchte. Auch wenn für mich mit Ende des Schuljahres das Kapitel Schule abgeschlossen ist, lässt mich das Thema systemische Veränderung nicht los. Deshalb werde ich mich auch weiterhin für systemische Veränderung im Bildungsbereich einsetzen. Die erste Runde hat das System gewonnen. Zeit für Runde zwei.

Autor:

Tobias Feitkenhauer erkannte durch sein Engagement bei der Studentenorganisation AIESEC seine Begeisterung für den Bildungsbereich. Nach seinem Studium in Marburg und Kairo verschlug es ihn nach Heidelberg, wo er als Teach First Deutschland Fellow an einer Gemeinschaftsschule in Heidelberg-Kirchheim arbeitet und dort Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum Schulabschluss begleitet.