Integration via Inklusion vom ersten Tag an

So werden aus Fremden letztendlich Freunde.

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von Helmut Gruber, March 21, 2017
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ursprünglich erschienen: 05.10.2016

Das ist die Herangehensweise von Fremde werden Freunde, eine Initiative, die in Wien gegründet wurde und ÖsterreicherInnen mit Zugewanderten zusammen bringt. Etwas miteinander zu erleben und Kontakte aufzubauen steht dabei im Mittelpunkt. Begonnen hat die Tätigkeit der Organisation im Sommer 2015, als viele Menschen aus ihrer Heimat nach Europa fliehen mussten. Fremde werden Freunde unterstützt diese Menschen dabei, sich in Österreich zuhause zu fühlen. Dabei wird auf gemeinsam verbrachte Zeit gesetzt, in der wird zum Beispiel Deutsch gelernt, gekocht, genäht, getanzt, musiziert und gemeinsam Sport gemacht. So werden aus Fremden letztendlich Freunde. Der Erfolg gibt ihnen recht.

Doch wer steckt hinter diesem so erfolgreichem Konzept? Die Antworten gibt es hier im Interview mit einer der Gründerinnen von Fremde werden Freunde, Ina Pervan-Al Soqauer.

Was war Deine Motivation als Du mit Fremde werden Freunde begonnen hast?

Sicher meine eigene Betroffenheit. Ich bin selbst mit sieben Jahren als Kriegsflüchtling mit meinen Eltern von Bosnien nach Österreich gekommen und wurde sofort gut in der Gesellschaft aufgenommen. Ich habe nie Einschränkungen erfahren, weil ich Ausländerin bin. Ich möchte etwas davon weiter geben.

Was ist das Besondere an Fremde werden Freunde?

Wir setzten bei der Integration auf eine Inklusion vom ersten Tag an und nicht erst wenn es einen positiven Asylbescheid gibt. Aus unserer Sicht geht wichtige Zeit verloren, wenn die Asylsuchenden nichtstuend warten müssen, bis sie erfahren, ob sie in Österreich bleiben können. Das ist für eine erfolgreiche Integration entscheidende Zeit, die für immer verloren geht. Genau in diesem Zeitraum kann jede/r etwas tun, nicht nur die öffentliche Hand. Die sozialen Kontakte und Begegnungen, die wir ermöglichen sind Gold wert, gerade am Anfang. Die Anfangsmotivation der neuen BürgerInnen versuchen wir zu nutzen, bevor sie durch monatelanges Warten und Ungewissheit demotiviert werden und möglicherweise in Parallelstrukturen abrutschen, weil sie sonst keinen Zugang zur Gesellschaft haben. Mit der gesellschaftlichen Teilhabe von Anfang an schließen wir eine Lücke, da nicht nur Deutsch- und Wertekurse Teil von erfolgreicher Inklusion sind.

Was genau ist Euer Anliegen?

Wir sind eine Bewegung zur gesellschaftlichen Inklusion und wollen auch zivilgesellschaftliches Engagement fördern. Dafür bieten wir die Struktur und die Netzwerke. Zu uns können auch Menschen mit einer Projektidee kommen und sich unter unser Dach stellen. Mit gebündelten Kräften und unseren Kontakten lässt sich das dann eher realisieren. Es kann aber auch jeder ganz niederschwellig einfach vorbei kommen und mitmachen, und wenn es nur ein Mal ist, ist es auch gut - wie es einem gerade passt! Jeder Beitrag ist wichtig und willkommen. Niemand der aktiv sein will soll ausgeschlossen werden.

Wie seid Ihr aufgestellt?

Es gibt den Vorstand, der die Organisation nach außen vertritt. Daneben gibt es das Organisationsteam. In dem sind VertreterInnen aus den einzelnen Arbeitsgruppen, die Projekte durchführen wie Deutschkurse, Kochen, Sport. Andere Projekte sind Handarbeiten, Fußball, Lauftreffs oder Tischtennis. Wir betreiben auch einen Chor, den 'Voiles of refugees'.
Den gab es beispielsweise schon und der hat sich dann unter unser Dach gestellt. Sie nützen unsere Infrastruktur für ihre Kommunikation und das Recruitment. Dabei geht es uns um die Steigerung der Wirkung und wir fragen uns dabei immer, was man wo bei wem positiv bewirkt.

Wie organisiert Ihr so viele Leute? Ihr seid ja nicht die einzige Vernetzungsplattform, aber scheinbar eine, die besonders gut funktioniert.

Wir sind aus dem nichts entstanden und haben sofort viele Leute angezogen. Das Caritas Projekt Kompa hat uns anfangs unterstützt und auf ihrer Website zu unserem Infotreffen eingeladen. Da kamen eine Menge Leute. Und ohne Facebook würde es schwer funktionieren. Alles andere wäre zu aufwendig. 

Welchen Social Impact habt Ihr?

Der Social Impact entsteht vor allem durch Förderung des Miteinanders und des sozialen Friedens mittels Integration an vielen Orten der Begegnung. Wir sind eine Bewegung zur gesellschaftlichen Inklusion. Menschen die bereits in Österreich sind und Menschen die neu hierher gekommen sind, verbringen bei unterschiedlichen Aktivitäten Zeit miteinander, lernen Deutsch, organisieren Aktivitäten. So werden aus Fremden Freunde, ein wichtiger Schritt Richtung Integration wird gemacht, die so wichtig für friedliches Miteinander ist. 

Integration von ersten Tag an ist wirklich wichtig. Der Staat fördert die Integration erst ab positivem Asylstatus, auf den man erst einmal Monate, manchmal sogar Jahre, warten muss. Da zahlen wir als Gesellschaft einen großen Preis dafür.  

Welche Bedeutung hat dabei die Zivilgesellschaft?

Ich sehe zivilgesellschaftliches Engagement als einen starken Schutz für sozialen Frieden in der Gesellschaft. Gerade momentan, wo von vielen Seiten Polarisierung und ein Gegeneinander stattfindet. Die vielen Initiativen und aktiven Menschen, die im Zuge der Flüchtlingswelle zum Engagement motiviert worden sind, leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Miteinanders, Minderung von Ängsten und Förderung des sozialen Friedens. Bei Fremde werden Freunde möchten wir auch den neu angekommenen Menschen die Möglichkeit geben, sich einfach zivilgesellschaftliche engagieren zu können. Da gibt es sehr großes Potential. Unser Netzwerk wächst und mit ihm die Möglichkeiten, die wir anbieten können. Durch dieses Engagement der Freiwilligen spart sich der Staat viel mehr als „nur“ die Kosten für die Deutschkurse die bereits während des Asylverfahrens durch uns (und viele andere Freiwillige in Österreich) geleistet wurden. Von staatlicher Seite bekommen wir keine Förderungen. Für unsere Angebote sind wir ausschließlich auf Spenden angewiesen. 

Wo siehst du Probleme bei der Integration, wie sie derzeit von staatlicher Seite angegangen wird?

Integration bedeutet Teilhabe an der Gesellschaft und nicht nur Deutsch- oder Wertekurse beginnend mit dem positiven Asylbescheid. Wenn das so gehandhabt wird, verstreicht wertvolle Zeit im Integrationsprozess. Das wäre sehr problematisch, wenn die Zivilgesellschaft hier nicht regulierend eingreifen würde mit der Schaffung von Möglichkeiten über Kontakte zu vorhandenen Strukturen und einzelnen Menschen. Letztendlich ist die menschliche Begegnung zentrales Element der Integration. Das wird von staatlicher Seite zu wenig berücksichtigt.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus Deinem Engagement?

1. Es gibt unterschiedliche Formen des Engagements. Manche wünschen sich straffe Strukturen und klare Arbeitsanweisungen, anderen wollen ihre Ideen einbringen und umsetzten. Dabei erfahren sie, dass sie sofort etwas bewirken. Wieder andere möchten sich entsprechend ihrer verfügbaren Ressourcen auch spontan irgendwo anschließen, auch wenn es nur einmal ist. Im klassischen Freiwilligenmanagement von etablierten NGOs wird auf die Unterscheide von Freiwilligen wenig eingegangen. Wir möchten zivilgesellschaftliches Engagement fördern und all diesen Potentialen die Möglichkeit bieten, sich in der Form, die ihnen am besten passt, einzubringen. 

2. Wir sind eine Netzwerkorganisation. Die Organisation ist ständig im Wandel, da gehört etwas Chaos und Veränderung dazu. Man muss es zulassen können, weil so vieles erst entsteht.

3. Es steckt ein irrsinniges Potential in einer Bewegung, die aus losen Netzwerken besteht und eine relativgeringe Struktur aufweist, wenn alle an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Erstaunlich, welche Ressourcen da frei werden können. Ich freu mich immer total wenn ich von unterschiedlichen Richtungen höre, was alles Neues unter Fremde werden Freunde entstanden ist.

Welchen Wunsch hast Du an die Verantwortlichen?

Wir springen in einen Bereich ein, für den der Staat eigentlich verantwortlich ist. Ich wünsche mir, dass sich der Staat nicht am freiwilligen Engagement der Gesellschaft ausruht und dieses ausnützt, sondern dieses wertschätzt, fördert, dessen Potential für den sozialen Frieden erkennt und stärkt.
Leider geht es noch nicht in diese Richtung. 

Und welchen Wunsch hast Du ganz allgemein?

Allgemein wünsche ich mir, dass jede und jeder Einzelne, seinen Beitrag für ein friedliches Miteinander den sie oder er leisten kann, leistet. Jeder der bei Fremde werden Freunde mitmachen möchte, ist herzlich willkommen. Schickt uns eure Ideen, oder schaut einfach einmal bei einer Veranstaltung vorbei. Aktuelle Updates gibt es auf unserer Facebookseite oder Webseite (https://www.facebook.com/fremdewerdenfreunde.at, www.fremdewerdenfreunde.at

Außerdem sind wir für die ÖsterreicherInnen des Jahres für humanitäres Engagement nominiert, was uns als gerade so junge Organisation richtig freut. Mit dem Preisgeld könnten wir noch mehr bewegen und bewirken. 

Was macht Dich zu einem Pionier des Wandels, zu einem Changer?

Wir tun. Fremde werden Freunde ist aus dem Tun von vielen Menschen heraus entstanden. Die Organisationsstruktur passt sich dem Tun nach Bedarf an. In der Gründerszene habe ich manchmal das Gefühl, dass viel auf Konzepte, schöne Plattformen und perfekte Kommunikation mühsam generierten Contents Wert gelegt wird. Bei uns ist es umgekehrt. Die Organisation ist voll von Leben, Inhalt und Wirkung. Würden wir zu viel Wert auf Vermarktung der Inhalte legen, würden nicht so viele Inhalte entstehen. So haben wir viel bewegt und werden auch noch viel schaffen.