Man hört immer wieder davon, wie große Unternehmen verkauft oder an Menschen vererbt werden, die nie Teil der Unternehmung waren. Wie wäre es, wenn stattdessen die langjährigen MitarbeiterInnen EigentümerInnen werden würden bzw. das Unternehmen sich selbst gehören würde? Die Purpose Stiftung stellt sich genau diese Frage und hilft Unternehmen dabei nicht als Spekulationsgut für den privaten Gewinn zu dienen, sondern sinnstiftend und nachhaltig arbeiten zu können. Wir sprachen mit Achim & Adrian Hensen, zwei der Gründer von Purpose.
Erzählt uns ein wenig von Purpose, was hat es damit auf sich und wer steckt dahinter?
Wir setzen uns für eine Wirtschaft im Sinne des Menschen und der Gesellschaft ein. Im Kern steht der Gedanke, dass wir Wirtschaft verändern können, indem wir Unternehmen ermöglichen Eigentum neu zu denken und zu gestalten! Uns verbindet von Anfang an der Glaube an die positive Kraft von Wirtschaft und Unternehmertum. Aber auch die Erkenntnis und Erfahrung, dass wir Wirtschaft heute immer wieder als destruktive Kraft erleben. Wir beobachten u.a. große ökologische Herausforderungen, zunehmende soziale Ungerechtigkeit, eine extreme Zentralisierung von Macht und Kapital sowie strukturelle Verantwortungslosigkeit. Gleichzeitig erleben wir Sinn-orientierte Gründer und Unternehmer, die ein Teil der Lösung sein wollen. Die für eine andere Wirtschaft stehen. Diese Menschen und Organisationen wollen wir unterstützen.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht dabei die Frage, nach gesundem Unternehmenseigentum. Wir sind der Überzeugung, dass Eigentum als DNA von Unternehmen eine entscheidende Rolle für die Gestaltung gelingender Organisationen und der Wirtschaft spielt. Deswegen unterstützen wir Unternehmen dabei langfristig sinn-orientiert und selbstbestimmt zu bleiben.
Wir, das sind im Purpose Kernteam derzeit neun Purposler - verteilt zwischen San Francisco und Berlin. Unterstützt werden wir von einem großen Netzwerk aus Begleitern und Unterstützern, die bei den verschiedenen Aspekten unserer Arbeit pro Bono helfen. Wir haben Purpose vor drei Jahren gegründet - heute sind wir ehrlich gesagt positiv überwältigt, von der Resonanz und dem Feedback, das wir von vielen Unternehmern bekommen. Vermutlich wird es also bald noch mehr Purposler geben.
Was bedeutet das konkret und wie seid ihr dazu gekommen?
Für unser Team gab es verschiedene Zugänge zum Thema Unternehmenseigentum: So haben wir zum Beispiel erlebt, dass New Work und Selbstorganisation an Grenzen stoßen, wenn Eigentum nicht mitgedacht wird. Als Unternehmer hatten wir den Wunsch Sinn-Orientierung zu einem glaubhaften Versprechen gegenüber Kunden und Mitarbeitern zu machen, aber es fehlten die passenden Lösungen.
Begonnen hat dann alles mit der Suche nach Unternehmen mit gelingenden Eigentumsstrukturen. Wir haben tolle Pioniere entdeckt. Unternehmen wie Zeiss, BOSCH, John Lewis und viele weitere haben Eigentum neu gedacht und umgesetzt. Wir konnten sich wiederholende Muster entdecken: Sie alle haben rechtlich bindend festgelegt, dass ein Unternehmen nicht als Spekulationsgut für privaten Gewinn dient, sondern sinnstiftend und am langfristigen Erfolg orientiert arbeitet. Die Prinzipien dahinter lauten: Gewinn ist nie Endzweck, sondern immer Mittel zum Zweck. Und: Die Macht im Unternehmen, die "Stimmrechte", können nicht an Spekulanten verkauft werden, sondern bleiben immer in Händen von Menschen, die mit der Mission des Unternehmens verbunden sind. In der Konsequenz gehört das Unternehmen sich selbst und wird treuhänderisch geführt. Natürlich können Menschen gut verdienen, aber die Unternehmen sind keine Spekulationsware, nicht verkäuflich, und können eigenständig und in voller Verantwortung sinn-orientierte Entscheidungen treffen.
So groß unsere Begeisterung und Freude über diese Pioniere war, umso mehr haben wir uns gefragt: Warum gibt es nicht mehr davon? Und was können wir tun um dies zu verändern? In unseren Augen fehlt es an drei Dinge, die wir mit Purpose in Angriff nehmen wollen:
- Dem Wissen, dass es überhaupt eine Alternative gibt
- Passender Zugang zu Kapital
- Einfache Lösungen, um es umzusetzen.
Heute informieren wir deswegen über alternative Eigentumsstrukturen, bieten Zugang zu passender Finanzierung und haben mit der Purpose Stiftung eine eigene Rechtsform entwickelt, mit der wir Unternehmen einen einfachen Weg bieten, die genannten Prinzipien zu verankern.
Was ist die Macht von Eigentum im Unternehmen und welchen Einfluss hat diese auf unsere Wirtschaft?
Eigentum ist die DNA eines jeden Unternehmens. Sie spiegelt die Werte und den Sinn jeder Organisation wieder und beschreibt die Antwort auf die essentiellsten Fragen. Ein Beispiel: Unser Mitgründer, Armin, selbst Eigentümer eines Unternehmens, wurde von einer Mitarbeiterin gefragt: Du sagst immer zu uns, dass wir alle zusammen für den Sinn des Unternehmens arbeiten, aber ist es nicht so, dass wir theoretisch eigentlich nur für dich arbeiten? Du könntest das Unternehmen doch jederzeit verkaufen oder damit machen, was du willst. Er wollte zunächst erwidern, dass das ja so nicht stimme, musste dann aber anerkennen “Sie hat Recht”. Obwohl dies überhaupt nicht seinen Werten entsprach, hatte sie Recht! Ihm war es jederzeit möglich die Gewinne in die eigene Tasche zu stecken. Rechtlich ist das Unternehmen nichts anderes als eine Sache, ein privater Gegenstand. Mit dieser Antwort wollten wir uns aber nicht zufrieden geben. Wir verstehen Eigentum nicht als Befugnis, alles mit einem Unternehmen zu tun, einschließlich dessen Zerschlagung, sondern auch als Verantwortung gegenüber allen Stakeholdern.
Eigentum hat die Macht den Sinn von Unternehmen langfristig zu sichern. Es kann glaubhaft und langfristig gewährleisten, dass Unternehmen mehr sind, als Dinge, die der privaten Gewinnmaximierung dienen. Es beeinflusst also unsere gesamte Zusammenarbeit und Wirtschaft.
Wie kann man als Social Business Eigentum “neu denken” und warum sollte man das?
Die Frage nach passendem Eigentum ist für jedes Unternehmen relevant, das seiner Mission langfristig folgen will. Aber gerade Social Businesses, die sich ja die Lösung gesellschaftlicher Probleme statt spekulativen Gewinns auf die Fahnen schreiben, haben so die Möglichkeit, genau dies in Ihrer DNA unveränderbar festzuschreiben. So kann jeder Investor, Partner, Kunde und Mitarbeiter sich sicher sein: “Dieses Unternehmen wird immer dem Sinn dienen”. Gleichzeitig bleibt jedoch die unternehmerische Freiheit im Vergleich zu einer gemeinnützigen Rechtsform erhalten. Wir denken, dass eine Eigentumsform, die die beiden erwähnten Prinzipien sicherstellt fast schon eine logische Konsequenz für ein Social Business ist. Man könnte sagen, für “Social Businesses” ist es quasi das passende Maßkleid. Ob dies nun mit der Purpose-Lösung oder über andere Wege umgesetzt wird, ist dabei nicht entscheidend.
Wie kann ich mein Unternehmen zu einem Purpose Unternehmen machen?
Das ist eigentlich ganz einfach. Leider gibt es diese Rechtsform so nicht, wir bieten aber eine Art Plug-In an, welches in die bestehende Rechtsform des Unternehmens - zum Beispiel einer GmbH - eingebaut werden kann. Schon heute kann sich jedes Unternehmen die Purpose-Kriterien in seine Satzung/Gesellschaftsvertrag schreiben. Das Problem ist, dass sie auch jederzeit wieder rausgestrichen werden können. Die Prinzipien sind eben nicht rechtsbindend. Eine der möglichen Wege diese glaubhaft abzusichern bieten wir mit der Purpose-Stiftung an. Diese übernimmt einen Veto-Share, welcher nur bei dem Versuch der Abänderung der genannten Kernkriterien im Gesellschaftsvertrag aktiviert wird. Die Stiftung selbst ist wiederum per Satzung dazu verpflichtet diese Änderungen zu verhindern. Es gibt weitere Möglichkeiten das Gleiche zu erreichen. Viele Unternehmen haben ihre eigenen Wege gefunden, Ihr Unternehmen sich selbst zu schenken.
Wir bieten eine einfache Lösung an, die eben auch für Start Ups und kleine Unternehmen umsetzbar ist. Man muss nicht erst eine eigene Stiftung gründen, um den Sinn eines Unternehmens langfristig zu sichern. Mit uns ist es möglich diesen Prozess innerhalb kurzer Zeit und mit sehr viel weniger Ressourcen durchzuführen.
Was sind die Probleme, mit denen ihr als Vordenker heute kämpfen müsst und was braucht ihr, um diese zu bewältigen?
Zunächst sind wir ja nicht alleine die Vordenker. Das gibt Kraft. Diese Form des Eigentums wird von sehr erfolgreichen Unternehmen seit langer Zeit gelebt. Das sind die wahren Pioniere. Aber ja: Wir sehen uns als Mitträger dieser Idee.
Für alle Menschen, die Firmen in erster Linie gründen, um reich zu werden gibt es eine gute Infrastruktur mit Rechtsformen, Risikokapitalgebern etc. Aber für die Anderen, die den Zweck Ihres Unternehmens in den Vordergrund stellen, fehlt es an ausreichender Infrastruktur. Hier setzen wir an und freuen uns über jede Unterstützung.
Eine Herausforderung dabei ist sicherlich, dass Eigentum ein Tabuthema zu sein scheint. Neue Lösungen wie unsere werden zu schnell mit bestehenden Vorurteilen verknüpft. Ich denke wir brauchen alternative Erfolgsgeschichten bzw. müssen die schon vorhandenen besser kommunizieren. Die Menschen sollen wissen, dass Unternehmen alternative Wege erfolgreich gehen und sich selbst gehören. Mittelfristig wird es auch darum gehen, dass Kunden und Mitarbeiter sich entscheiden: Bei welchen Unternehmen wollen sie arbeiten und kaufen? Für Investoren gilt die gleiche Frage: Welche Unternehmen wollen sie unterstützen?
Ende Oktober organisiert ihr erstmals eine Eigentumskonferenz, was erwartet uns dort?
Austausch und konkrete Lösungen! Uns geht es darum, Unternehmern die Möglichkeit zu bieten zu lernen und mit Gleichgesinnten zu sprechen. Wir haben mittlerweile mit 30 Unternehmern in Deutschland, Finnland und den USA die Purpose-Lösung umgesetzt oder sind im Prozess. Dazu haben wir mit vielen weiteren kooperiert, die andere Wege zum gleichen Ziel gefunden haben.
Die Konferenz bietet Möglichkeit von diesen Erfahrungen zu lernen und das aus den verschiedensten Perspektiven: u.a. mit Albert Wenger (USV), Georg Tarne (Soulbottles) oder Franz Fehrenbach (Bosch). Wie kann man Eigentum strukturieren, sodass das Unternehmen sich selbst gehört? Wie kann ich eine passende Finanzierung sicherstellen, die mit den Prinzipien eines sich selbst gehörenden Unternehmens vereinbar ist? Sowohl für Start-Ups als auch für Unternehmen in Nachfolgesituationen gibt es zwei spezielle Themen-Tracks.
Die Konferenz ist durch Spenden mitfinanziert, um auch kleineren und jüngeren Organisationen zu ermöglichen teilzunehmen. Jeder interessierte Unternehmer, Investor oder Politiker ist herzlich eingeladen.
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Wie seht ihr die Zukunft unserer Wirtschaft?
Das wissen wir natürlich nicht genau, aber eins wünschen wir uns sehr: Dass Wirtschaft nicht mehr als destruktive Kraft wahrgenommen wird, sondern in ihr positives Potenzial findet. Wir wollen mit Purpose einen Beitrag zu einer Wirtschaft leisten, in der Kapital wieder in echte Werterzeugung und nicht in Spekulationsblasen fließt.
In der die Zentralisierung von Macht abnimmt und Mitarbeiter in Unternehmen sich sicher sein können, dass sie nicht für die private Gewinnmaximierung von Eigentümern arbeiten, sondern für die eigentliche Mission des Unternehmens. In der die volle Verantwortung im Unternehmen liegt. Die Wirtschaft würde also wieder mehr den Menschen und der Gesellschaft dienen statt andersrum.
Wir sagen nicht, dass Purpose und neues Eigentum die Lösung aller Probleme ist. Aber wir können mit der Eigentumsfrage von Unternehmen ein zentrales Problem in der Gesellschaft mit konkreten Lösungen angehen.