Blockchain existiert bereits seit Anfang der 1990er Jahre, wird jedoch erst in den letzten Jahren im Rahmen von Bitcoin bekannter und mehr genutzt. Wir erklären Dir kurz, was hinter diesem Konzept steht und welche Chancen und Risiken die Technologie im sozialen und ökologischen Bereich bietet.
Was Blockchain ist und wie es funktioniert
Blockchain ist eine Datenbank, in der alle erfolgten Transaktionen hintereinander abgespeichert werden. Transaktionen sind in dem Fall nicht nur Geldüberweisungen, sondern auch andere Aktivitäten wie das Hinterlegen von Dokumenten. Am wichtigsten ist das peer-to-peer-Konzept: alle Transaktionen wie z.B. Bezahlungen werden heute über einen dritten Anbieter wie Banken oder Paypal abgewickelt, um eine gewisse Garantie zu gewährleisten. Bei Blockchain entfällt der Zwischenhändler; Transaktionen werden direkt von Absender zu Empfänger abgewickelt und über eine digitale Signatur eindeutig identifiziert und gesichert. Die Transaktionen werden in einem gigantischen Hauptbuch abgelegt, an das alle an der Blockchain teilnehmenden Rechner angeschlossen sind. Jede Transaktion wird dezentral auf allen Rechnern gespeichert. Die Speicherung einzelner Transaktionen erfolgt in Blöcken, die dann in Ketten aneinander gereiht werden, daher der Name Blockchain. Die Erstellung eines solchen Blocks nennt man Mining.
- Blockchain for Good
- Blockchain ist eine Datenbank, in der alle erfolgten Transaktionen hintereinander abgespeichert werden. Transaktionen sind in dem Fall nicht nur Geldüberweisungen, sondern auch andere Aktivitäten wie das Hinterlegen von Dokumenten.
Die Blöcke werden in bestimmten Zeitabständen neu gebildet und enthalten alle Transaktionen der vergangenen zehn Minuten. Die einzelnen Transaktionen werden dazu in eine Art Wartezimmer gesetzt und dann nach und nach angedockt, wobei sie mit einem eindeutig identifizierbaren Zeitstempel belegt werden. Das Andocken nimmt ein Miner vor: er muss eine Rechenaufgabe lösen, die zwar schwierig aufzudröseln, deren Ergebnis aber relativ einfach nachzuvollziehen ist – das erleichtert die gegenseitige Kontrolle. Der Miner, der die Aufgabe zuerst löst, bekommt als Belohnung einen Bitcoin (oder eine andere virtuelle Währung) und der nächste Block wird an die Kette angehängt.
- Bitcoin
- Virtuelle Währung, die auf Blockchain basiert. Sie wird in Onlineshops als Zahlungsmittel benutzt und ist unabhängig vom Land oder Zentralbanken. Überweisungen werden über die kryptographische Verschlüsselung der digitalen Signatur gesichert. Dies vermeidet, dass jemand Bitcoins fälscht oder einen Bitcoin mehrmals ausgibt. Bitcoins sind auf 21 Millionen Einheiten begrenzt. Über Mining werden nach und nach diese Einheiten „abgetragen“ und innerhalb des Systems verwendet. Bitcoins können in reale Währungen umgetauscht werden und werden mittlerweile in verschiedenen offline-Läden akzeptiert; es gibt sogar Wechselkurse.
Möchte nun jemand einen Datensatz manipulieren, muss er dies nicht nur auf ALLEN an der Blockchain angehängten Rechner tun, sondern auch alle DAVORLIEGENDEN Blöcke mit manipulieren. Und das gleichzeitig. Vergleichbar mit Geschichtsfälschern, die in vielen Ländern sämtliche Literatur und Originaldokumente zu einem bestimmten Thema innerhalb eines Moments umschreiben oder auslöschen wollten. Dies ist nur unter einem so extrem hohen Rechenaufwand möglich, sodass sich Manipulationen nicht lohnen. Zudem steigt der Aufwand mit der Länge der Blockchain.
Die Chancen von Blockchain
Die dezentrale Aufsetzung des Systems erschwert Manipulationen extrem. Vor allem für gesetzliche Dokumente ist dies von hoher Bedeutung. Geldtransfer, Spenden und Dokumentenaufbewahrung werden sicherer.
1. Rechtsanspruch auf Eigentum: 70% der Grundbesitzer weltweit haben keinen sicheren Anspruch auf ihr Land: Dokumente, die Landbesitz bestätigen, können v.a. von Regierungsseite manipuliert werden und zur Enteignung missbraucht werden – der Eigentumsnachweis auf Seiten der Landbesitzer wird als gefälscht erklärt.
Durch einen Eintrag im „Register“ via Blockchain können diese Dokumente nicht mehr manipuliert werden, weil der Aufwand viel zu hoch wäre. Landbesitzer erhalten dadurch eine wesentlich höhere Sicherheit an ihrem Besitzanspruch, was sie auch in eine bessere wirtschaftliche Lage versetzt: denn nur der Nachweis auf einen Anspruch des Grundbesitzes ermöglicht geschäftliche Aktivitäten: man kann das Land beleihen, verpachten und natürlich über die darauf produzierten Waren frei verfügen.
2. KMU: Auch kleine und mittelständische Unternehmen in Entwicklungsländern können von dieser Anspruchssicherheit profitieren: werden in einem dezentralen Register Inventarlisten der Gebäude, Grundflächen, Maschinen und sonstigem Firmeneigentum gespeichert, ist es leichter, an Kredite zu kommen, da die KMU nicht mehr auf ein, zwei lokale Banken angewiesen sind, sondern sich über mehrere Kreditgeber kleinere Teilsummen zusammenleihen können. Ähnlich der Genossenschaften oder dem Crowdfunding können so neue Finanzierungsmodelle entstehen.
3. Geldtransfer: Der größte Geldfluss aus den Industriestaaten in die Entwicklungsländer erfolgt nicht in Form von Entwicklungshilfe, sondern als Privatüberweisung von Emigranten an ihre daheimgebliebenen Familien – insgesamt etwa 600 Milliarden $ pro Jahr. Western Union ist die größte Bank für solche Transfers. Überweisungen kosten Zeit (zwischen zwei und fünf Tagen), die Verlässlichkeit der Dauer variiert und die Bank verlangt außerdem bis zu 17% an Gebühren vom Überweisungsbetrag. Das macht bei 100$ 17$ Verlust – und 17$ sind in einem Entwicklungsland SEHR viel Geld, das vor Ort fehlt. Mit Blockchain-Apps wie Abra können diese Überweisungen direkt vom Smartphone des Absenders zum Smartphone des Empfängers geleistet werden. Ausgezahlt wird das Bargeld von einem sogenannten „Kassierer“ (vergleichbar dem Privatmenschen, der eine UBER-Fahrt anbietet), der ebenfalls in der App registriert ist. Der Empfänger sucht sich einen „Kassierer“ aus, der in der Nähe wohnt und via Rating als zuverlässig anerkannt ist. Dieser bringt binnen weniger Minuten das Bargeld vorbei und erhält auch eine Gebühr – allerdings in Höhe von nur 2%. Dieses Geld bleibt aber im Empfangsland statt bei der Bank und unterstützt andere Menschen vor Ort. Durch das dezentrale Überbringersystem wird die Geldakkumulation bei einem einzigen Finanzinstitut vermieden.
- Ethereum
- Eine Plattform, die die Infrastruktur für Vertragsabschlüsse bietet. Zwar gibt es „Ether“ als Kryptowährungseinheit, sie ist aber nur Mittel zum Zweck. Sobald eine Überweisung erfolgt ist, erstellt Ethereum sogenannte „Smart Contracts“, d.h. es werden verbindliche Verträge abgeschlossen – auch ohne Anwälte und andere Intermediäre.
4. Share Economy: Dank Blockchain ergeben sich Möglichkeiten, wieder (oder besser: endlich) eine richtige Share Economy auszubilden. AirBnB oder UBER werden gerne als Share Economy-Beispiele aufgeführt. Letztlich sind sie aber nichts anderes als Großunternehmen, die sich über ein Provisionsmodell eine goldene Nase verdienen. Und wer würde einen Immobilienmakler als „Share Economy“ bezeichnen?? Durch Blockchain entfällt der Zwischenhändler auch hier. Die Räumlichkeiten oder Fahrgelegenheiten werden direkt von Anbieter zu Kunde vermittelt, die Zahlung erfolgt direkt und die Bewertungen werden ebenfalls dezentral gespeichert und können nicht manipuliert werden.
5) Daten: Alle Daten, die wir im Netz hinterlassen, ergeben derzeit eine virtuelle Identität von uns, über die wir keine vollständige Kontrolle haben. Mit Blockchain können wir eine „Blackbox“ generieren, in der all unsere Daten gespeichert, aber in ihrer Gesamtheit nur von uns selbst einsehbar sind. Für alle Transaktionen und Aktivitäten innerhalb des Netzwerks müssen wir nur den Teil an Daten nutzen, der wirklich gebraucht wird (wozu braucht ein Chatprogramm z.B. unsere Telefonnummer, wenn wir das Programm nur am PC nutzen?) Das Vertrauen, das derzeit über die Zwischenhändler garantiert wird, indem wir ihn mit unseren Daten bezahlen (und uns verifizieren), können wir selbst aufbauen, indem wir die Kontrolle in einer 1:1-Situation zurückgewinnen und klare Grenzen darüber setzen können, was wir von uns preisgeben.
6) Faire Bezahlung: Künstler können durch die Einbettung ihrer Werke in ein Blockchainsystem die Kontrolle über ihr geistiges Eigentum zurückgewinnen und eine Bezahlung sichern. Hier sind wir wieder beim Vertragssystem. Ein Lied kann sich in der Blockchain sozusagen selbst verwalten: wer es anhören möchte, zahlt nur ein paar Cent. Wer es für ein Video weiterverwenden will oder das Lied als Klingelton nutzen möchte, zahlt etwas mehr. Das Lied selbst wird zum Geschäft, das in verschiedenen Angebotspaketen bereitsteht. Über die Blockchain enthält das Lied quasi auch sein eigenes Bankkonto, was einen direkten Cashflow zum Künstler ermöglicht. Dadurch gewinnen viele Kreativschaffende die Kontrolle über ihr Werk zurück und können ohne Provisionen an Agenturen oder Verlage das Geld direkt einnehmen.
Die Risiken von Blockchain
1) Illegale Geschäfte: Die Anonymität der Blockchain-Technologie hilft nicht nur, die „guten“ Daten zu sichern, sondern ermöglicht leider auch „sichere“ illegale Geschäfte und Geldwäsche. Wurde früher in kriminellen Kreisen Bargeld benutzt, um keine Spuren zu hinterlassen, können diese Zahlungen heute in großem Stil digital ausgeführt werden. Die Verschlüsselungen sind so komplex, dass die Händler von Waffen, Drogen oder auch Menschen nicht aufgespürt werden können.
2) Arbeitsplatzverlust: Blockchain ist Teil der Digitalisierung, die auch die Arbeitswelt in den nächsten Jahren massiv verändern wird. Wie viele Menschen durch den Einsatz von Blockchain ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, ist schwer zu sagen, Schätzungen gehen von bis zu 50% und mehr aus. Nicht nur in der Bankenwelt, auch in der Logistik werden sich viele Menschen neu orientieren müssen.
IBM und die weltweit größte Containerschiffreederei MAERSK arbeiten derzeit daran, den Abfertigungsprozess von Seefracht in ein Blockchainsystem zu übertragen. Seefracht ist das Transportmittel mit dem höchsten Dokumentationsaufwand – eine Umstellung der Lieferkette auf Blockchain könnte zu Einsparungen führen, die das globale Bruttosozialprodukt um 5% ansteigen ließe, das Welthandelsvolumen aufgrund höherer Effizienz sogar um 15 %. Unklar bleiben die Folgen: die Einsparungen beziehen sich vor allem auf Personalkosten.
Nebeneffekte der erhöhten Wirtschaftsleistung sind nicht nur Arbeitsplatzabbau, sondern auch eine stärkere Umweltbelastung durch das höhere Frachtaufkommen.
3) Umwelt: DER entscheidende Nachteil von Blockchain-Technologie ist ihr immenser Energiehunger. Der Stromverbrauch für Blockchain-Aktivitäten im Jahr 2014 hätte ausgereicht, um ganz Irland ein Jahr lang mit Strom zu versorgen. Würden 50% der Weltbevölkerung Blockchain nutzen, bräuchte man so viel Strom wie derzeit global insgesamt überhaupt produziert wird. An diesem Punkt stößt die Technologie eindeutig an ihre Grenzen – nicht nur der Machbarkeit, sondern auch des Zumutbaren. Ähnlich wie bei den SDGs ergibt sich auch hier das Problem, dass die Verbesserung der Situation vieler Menschen zugleich zu einer Verschlechterung auf einer anderen Ebene führt. Soziale Verbesserung kann man nicht gegen ökologische Verschlechterung ausspielen, zumal letztere ohnehin wieder auf alle zurückfällt. Auch die schnelle Alterung der beim Mining eingesetzten Hochleistungsrechner verbraucht sowohl bei Neuanschaffungen wie bei der Entsorgung große Ressourcen.
4) Zugang: Das System muss mit einem enormen Aufwand am Laufen gehalten werden. Das sogenannte Mining, also die Erstellung des nächsten Blocks, erfordert Zeit und Energie, die nicht jeder erübrigen kann. Es haben sich bereits Miningzentren entwickelt, die versuchen, möglichst viel Bitcoins anzuhäufen. Hier besteht die Gefahr, dass das System von einigen wenigen am Laufen gehalten wird und zu einer Art elitärer Oligarchie entwickelt. Je früher jemand in das Bitcoinsystem eingestiegen ist, desto mehr Bitcoins konnte er anhäufen – und hält dadurch überproportional viele Coins. Dies könnte das Blockchainkonzept, das die Freiheit von Autorität verspricht, ad absurdum führen.
Was bedeutet das für den Sozialen Sektor?
Die Blockchain-Techologie bietet viele Chancen zu größerer Unabhängigkeit von großen, zentralen Institutionen und kann zu einer gleichmäßigeren Verteilung von Gelder verhelfen, indem Bereicherung durch Provisionen oder Enteignung vermieden werden kann.
Unter ökologischen und energetischen Gesichtspunkten ist derzeit jedoch nicht abzusehen, dass Blockchain tatsächlich so verbreitet genutzt werden kann, um den potentiellen Social Impact auch wirksam zu entfalten.