Wohlstand für alle wäre möglich

Sarah Delahaye von Expedition Grundeinkommen wirft einen Blick auf die Vorteile eines bedingungslosen Grundeinkommens und erklärt, was dieser Schritt mit einer gesteigerten Lebensqualität zu tun hat.

Teilen
von Sarah Delahaye – Expedition Grundeinkommen, March 17, 2021
Glücklicher dank bedingungslosen Grundeinkommen?

Header: Nasik Lababan via Unsplash

Im Monat März gibt es einen unrühmlichen Aktionstag: den Equal Pay Day. In diesem Jahr am 10. März begangen, markiert er symbolisch den Pay Gap (engl. Lohnlücke), also die Differenz der Bruttogehälter von Frauen im Vergleich zu Männern. Er verdeutlicht anschaulich, was sonst schwer zu greifen ist: geht man vom Durchschnittsverdienst in Deutschland aus, arbeiten Frauen im Jahr 2021 bis zum 10. März “umsonst” im Vergleich zu den Männern. Aus diesem Grund haben wir bei tbd* uns dazu entschlossen, den März ab dem Stichtag zum Equal Pay Month zu deklarieren. Für alle! Mit themenbezogenen Artikeln für unsere Community und Arbeitgeber*innen bekommen ab dem 10. März die Möglichkeit, das gebotene Gehalt in einem eigenen Feld sichtbar zu machen. Denn transparente Löhne sind ein Weg, um dem Pay Gap entgegenzuwirken. Let's talk about money!

Im folgenden Artikel führt Sarah Delahaye von Expedition Grundeinkommen die Vorteile eines bedingungslosen Grundeinkommens aus und ermutigt dich dazu, auch in deiner Stadt für ein Testen des Grundeinkommen einzustehen (hier geht's zur Anmeldung).

Was würdest Du tun, wenn Du jeden Monat ein Grundeinkommen bekommen würdest? Würdest Du aufhören zu arbeiten, wie manche vermuten? Würdest Du in Teilzeit wechseln oder Dein eigenes Unternehmen starten? Würde sich Dein Leben radikal verändern? Diese Fragen sind so spannend, dass die Expedition Grundeinkommen sie im Rahmen eines staatlich finanzierten Modellversuchs beantworten möchte. Und Du kannst Dich daran beteiligen!

Grundeinkommen: Hype oder reale Notwendigkeit?

Das Grundeinkommen ist in aller Munde. Insbesondere mit der Corona-Krise hat es an Bedeutung in der öffentlichen Debatte gewonnen: Wenn viele in Kurzarbeit sind, ihren Job aktuell nicht mehr machen dürfen oder verloren haben, stellt sich die Frage: Wie sichern wir die Existenz dieses Teils der Bevölkerung? Wie ermöglichen wir ihnen gesellschaftliche Teilhabe, auch wenn sie kein regelmäßiges Einkommen durch Lohnarbeit haben? Was ist systemrelevant und was nicht? Und was, wenn man einen Job macht, der nicht systemrelevant ist?

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist einfach: Eine politische Gemeinschaft gewährt jedem ihrer Mitglieder bedingungslos ein Einkommen, mit dem die Lebensgrundlage gesichert ist - und das ohne Bedürftigkeitsprüfung oder den Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen. Diese monatliche Zahlung kann dazu beitragen, Armut und soziale Notlagen zu beseitigen, den individuellen Freiheitsspielraum der Menschen vergrößern und die soziale und kulturelle Situation im Gemeinwesen nachhaltig verbessern.

Das Thema ist also höchst aktuell. Ein Blick in die nahe Zukunft zeigt uns aber auch, wie relevant ein bedingungsloses Grundeinkommen langfristig sein könnte.

Baustein einer nachhaltigen digitalen Gesellschaft…

Zahlreiche Studien sagen voraus, dass sich unsere Arbeitswelt durch die Digitalisierung stark verändern wird. Viele Arbeiten, die man in kurzer Zeit lernen kann, werden digitalisiert, was zu einer strukturell hohen Arbeitslosigkeit führen könnte. Menschen wechseln viel schneller als noch vor wenigen Jahrzehnten den Beruf, ob aus freien Stücken oder weil ihr aktueller Job nicht mehr gebraucht wird. Das Zeitalter flächendeckender Erwerbsarbeit wird also mit großer Wahrscheinlichkeit zu Ende gehen. Ist das schlimm? An sich nicht – unsere Gesellschaft ist aktuell so reich wie noch nie; Wohlstand für alle wäre möglich. Was wir brauchen, ist also eine neue Form der Grundsicherung.

Das Grundeinkommen könnte hier ein wichtiger Baustein sein, da es das Recht auf Arbeit im Grunde durch ein allgemeines, arbeitsunabhängiges Recht auf Existenz ersetzen würde.

… und Weg zu einer sinnvolleren Arbeit?

Viele Menschen haben einen Job, den sie nicht mögen, aber brauchen, um zu überleben, sich und ihre Familie zu ernähren. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und um die eigene Existenz führt dazu, dass Menschen nicht unbedingt den Spielraum haben, ihren Beruf frei auszuwählen. Manche sind dazu gezwungen, für sehr niedrigen Lohn zu arbeiten, um nicht aufs Abstellgleis der Gesellschaft geschoben zu werden.

Viele gesellschaftlich unverzichtbare Tätigkeiten werden überhaupt nicht bezahlt, etwa ehrenamtliches Engagement, die Pflege der Eltern, Freund*innen oder Nachbar*innen, Erziehungsarbeit… Wer diese Tätigkeiten ausübt, ist im Vergleich zur Lohnarbeit heute strukturell benachteiligt. Ein Grundeinkommen würde diese schwierige Lage verändern. Durch die bedingungslose Garantie des Existenzminimums könnten wir alle deutlich freier entscheiden, wie wir arbeiten wollen.

Dadurch würde sich auch der Sinn der Arbeit verschieben: Wenn wir uns nicht mehr primär um die Sicherung der Existenz kümmern müssen, können wir den Blick stärker auf den Sinn der Arbeit selbst richten – und damit auf Lebensqualität für uns selbst und die Gemeinschaft, in der wir leben. Sozial ist dann nicht mehr, „was Arbeit schafft“, sondern was Freiheit schafft – die Freiheit, das zu tun, was wir selbst für nötig und richtig halten. In Summe könnte das einen Sinneswandel in unserer gesamten Gesellschaft auslösen: von der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft.

Auch die oft schädliche Abhängigkeitsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde so wie heute nicht mehr existieren. Es wäre ein Dialog auf Augenhöhe möglich. Dadurch könnten sich Kreativität und Motivation entfalten und Organisationen erfolgreicher werden. Arbeitsplätze müssten so eingerichtet werden, dass sie dem Sinnbedürfnis und Lebensgefühl der Menschen entsprechen, sodass sie ihren Beitrag bestmöglich leisten können. Mit einem Grundeinkommen könnte niemand mehr aufgrund einer Notlage ausgebeutet und zu sinnlosen, unwürdigem Arbeiten gezwungen werden - was nicht bedeutet, dass vermeintlich unangenehme Jobs dadurch grundsätzlich wegfallen. Nein, diese Berufe müssten dann beispielsweise besser bezahlt werden, um Menschen dafür zu begeistern.

Wirklich? Lass uns es testen!

Was hältst Du von der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens? Bist Du davon schon überzeugt? Oder stehst Du der Idee eher skeptisch gegenüber? Dann lass es uns einfach testen!

Stell Dir vor, in Deinem Wohnort startet in Kürze der erste staatliche Modellversuch zum bedingungslosen Grundeinkommen. Jeder tausendste Mensch in Deinem Wohnort erhält für drei Jahre Grundeinkommen. Wäre das nicht ein spannendes Projekt?

Die Expedition Grundeinkommen hat vor ein paar Tagen den Qualifizierungsprozess für das Grundeinkommen an Deinem Ort gestartet. Überall, wo 1% der Bevölkerung sich auf unserer Website für den Modellversuch in ihrer Stadt oder Gemeinde ausspricht, starten wir gemeinsam ein Bürgerbegehren - mit dem Ziel, Grundeinkommen in ganz Deutschland zu testen.

Bist Du dabei?

Dann hole jetzt das Grundeinkommen an Deinen Wohnort: www.expedition-grundeinkommen.de

Zur Autorin: Sarah Delahaye ist Organisationsentwicklerin, Projektmanagerin und politische Campaignerin. Sie unterstützt das Kampagnenbüro der Expedition Grundeinkommen seit September 2020.