ursprünglich erschienen: 06.05.2016
„Gutes einfach verbreiten“ – unter diesem Motto fand am 30. April das zweite openTransfer CAMP #refugees statt. In lockerer Barcamp-Atmosphäre diskutierten Flüchtlingshelfer und solche, die es werden wollten, über ihre Projektideen und stellten schnell fest: Wir profitieren alle voneinander.
170 Teilnehmer trafen sich vergangenen Samstag in der Hochschule München, um etwas zu teilen: Ihren sozialen Gedanken und ihre Ideen, wie Integration gemeinsam gelingen kann. Was braucht Flüchtlingshilfe, um nachhaltig zu sein? Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? Und wie können alle möglichst effektiv voneinander lernen?
Foto: Andi Weiland I openTransfer.de (CC-BY-NC)
Jeder kann von jedem lernen
Ganz spontan können die Teilnehmer entscheiden, an welchen Sessions sie mitwirken wollen. Zuschauer gibt es dabei nicht, ganz gleich, ob ehrenamtlich oder hauptberuflich, jede Handlung zählt. Und so bekommt auch jeder Einzelne die Chance, sich vorzustellen und eine eigene Session anzubieten. 24 Vorschläge wurden bereits im Vorfeld eingereicht, wie Organisatorin Katarina Peranic von der Stiftung Bürgermut berichtet. Gemeinsam mit der Social Entrepreneurship Akademie hat sie das openTransfer Camp auf die Beine gestellt und fordert gleich zu Beginn dazu auf, in den sozialen Netzwerken zu posten, zu twittern und zu teilen. Ganz im Sinne des Opentransfers: Jeder soll teilhaben können, ein großes Netzwerk soll entstehen, um Ressourcen zu nutzen und nicht für jede Idee das Rad neu erfinden zu müssen. Die Chancen, die erst durch Austausch entstehen, betont auch Oliver Beckmann von der Social Entrepreneurship Akademie: „Die Politik weiß selten, was in dem Social Startup Sektor entsteht, Unternehmen die aktiv werden wollen, wissen nicht, was NGOs bereits umsetzen. Hier gibt es einen großen Verlust an Innnovationspotential. Das wollen wir mit dem openTransfer Camp #refugees ändern."
Schwimmen lernen in kleinen Schritten
Und so entstand einen Tag lang ein breites Angebot an Diskussionsrunden: Wie gelingt die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt? Wie finden potentielle Helfer ein passendes Projekt? Was macht gute Sprachbildung aus? Oft stehen die Initiatoren vor denselben Herausforderungen und müssen die gleichen rechtlichen und finanziellen Hürden überwinden.
So wollen zum Beispiel Hannah und Laura Kieblspeck Schwimmkurse für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge anbieten. Einmal angefangen bei der Social Entrepreneurship Akademie ließ die beiden Studentinnen das Thema der Integration nicht mehr los. Sogar ein eigenes Bilderbuch haben sie kreiert, um kulturelle Unterschiede gerade im Schwimmbad vorher thematisieren zu können. Doch es sei gar nicht so einfach, Verbindlichkeiten mit Schwimmlehrern, Bädern und den Kindern selbst herzustellen. Schnell weiß Dietlinde Klemm von der Caritas Abhilfe und rät, sich erst einmal auf einen kleinen Personenkreis zu konzentrieren und bei Schwierigkeiten direkt um Hilfe zu bitten. „Zu oft haben zu viele die gleichen Probleme, ohne es zu wissen“, meint die Gründerin des Helferkreises am Ackermannbogen in München. „Unrealistische Erwartungen und fehlende Kommunikation erschweren die Umsetzung einer Idee dann erst recht.“ Die Schwimmkurse will sie nun auf jeden Fall unterstützen, sportbegeisterte Kinder gäbe es in den Unterkünften schließlich genug.
Foto: Andi Weiland I openTransfer.de (CC-BY-NC)
In den ländlichen Regionen steht Integration vor ganz anderen Herausforderungen
Wer nicht von der Infrastruktur einer Großstadt profitieren kann, ist Klaus Schulenburg vom Bayerischen Landkreistag. Oft stellt er sich die Frage, wie Projekte auch in den ländlichen Raum transportiert werden können. Während in den Städten die meisten Helferkreise über soziale Medien kommunizieren, fällt diese Möglichkeit vor allem für ältere Helfer auf dem Land komplett weg. „Ich möchte heute Wege finden, wie Ehrenamtliche ganz offiziell an Informationen gelangen und sich besser vernetzen können“, meint der Zuständige für Asyl und Integration. Aus diesem Grund nimmt er aktiv an Sessions teilnehmen und sucht vor allem den Austausch mit Vereinsgründern.
Integrationsprojekte scheitern oft an gesetzlichen Vorgaben
Ein Netzwerk aufbauen, das möchte auch Isolde Kurz, Dekanin der Fakultät für Studium Generale und Interdisziplinäre Studien der Hochschule München. Sehr gern hat sie die Räume für die Veranstaltung zur Verfügung gestellt. Um auch geflüchteten Studenten eine akademische Ausbildung zu ermöglichen, stehen an der Hochschule spezielle Studienangebote zu Verfügung. „Leider scheitert ein Studium dann aber oft an mangelnden Sprachkenntnissen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um sich als Student einschreiben zu können“, erzählt die Islamwissenschaftlerin. Diese versuche das Projekt Students4Refugees auszugleichen, in dem Münchner Studenten Deutschunterricht geben.
„Die Gesellschaft befindet sich zur Zeit in einem Experiment“
Am Ende des Tages wurden nicht nur Kontaktdaten ausgetauscht, sondern vor allem der Mut und die Motivation, das Experiment Integration weiterhin zu wagen. Denn selbst wenn nicht jedes Problem innerhalb eines Tages gelöst werden konnte, so blieb die Erkenntnis, dass Integration nur gemeinsam gelingen kann. Die Offenheit dafür wünscht sich auch Isolde Kurz: „Die gesamte Gesellschaft befindet sich zur Zeit in einem Experiment, in dem wie alle noch viel lernen müssen.“
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Simone Hölzermann, Journalist Fellow der Social Entrepreneurship Akademie