ursprünglich erschienen: 13.11.2015
Shirts, Schokolade und Handys werden bereits fair gehandelt und gekauft. Doch wie steht es um die anderen Produkte? Wünscht Ihr in allen Lebensbereichen transparent, gut und fair kaufen zu können? PhotoCircle hat da eine Lösung.
Gründer Thomas Heinrich erklärt uns im Interview, wie Du selbst mit Deiner Deko Gutes tun kannst. Er verrät uns was gute Fotografie für ihn bedeutet, wie Sozialunternehmen die besten internationalen Partner mit Mehrwert finden und wie Witz, Kreativität und Networking sogar die teurste Marketing-Kampagne übertreffen können.
Wie können Fotos die Welt verändern?
Ein Artikel auf Venture Village, der kurz nach unserem Launch erschienen ist, hat das einmal in ein sehr schönes Bild verpackt: Stell’ Dir vor, ein Teil des Profits, den das berühmte National Geographic Cover-Bildes des afghanischen Mädchens mit den schönen grünen Augen erwirtschaftet hat, wäre zurück in die afghanische Gesellschaft geflossen. Damit hätten dann Bildungsprojekte unterstützt werden können, oder humanitäre Hilfe, Gleichberechtigungskampagnen...
Das ist unser Ansatz: Für ein richtig gutes Foto braucht es mehr als nur eine/n talentierte/n Fotografen/in und eine gute Kamera. Das Motiv spielt für das jeweilige Bild eine zentrale Rolle – später, wenn es um die Entlohnung geht, dann aber leider meist überhaupt nicht mehr. Unsere Mission ist es, das zu ändern und damit viele tolle und nachhaltige Projekte in der ganzen Welt zu finanzieren.
COLORFUL LIFE von Rada Akbar
Wie findet Ihr Eure Partnerorganisationen und stellt sicher, dass das Geld da ankommt, wo es auch gebraucht wird?
Ganz unterschiedliche Wege führen zu einer guten Partnerschaft mit einer tollen Non-Profit-Organisation. Manchmal weisen uns unsere Fotografen zum Beispiel auf eine Initiative hin, mit der sie selbst auf ihren Reisen schon zusammengearbeitet haben und von deren Ansatz sie überzeugt sind. In anderen Fällen suchen wir gezielt nach einer Institution, die sich eines bestimmten Problems annimmt oder die in einem bestimmten Land arbeitet. In jedem Fall durchlaufen unsere Partner-NGOs im Voraus jedoch einen Qualitätscheck, bei dem wir Fragen über Transparenz-, Nachhaltigkeits- und Rechenschaftskriterien stellen.
Auch im Nachhinein – also wenn ein Projekt komplett finanziert ist und das Geld seinem jeweiligen Zweck zugute gekommen ist – füllen unsere Organisationen einen kleinen Evaluationsbogen aus, schicken uns Bilder von der Projektarbeit etc. So wissen wir schon im Voraus, ob eine Partnerschaft eine gute Idee ist, und bleiben anschließend über die Projektarbeit informiert.
Was macht gute Fotografie für Dich aus?
Abgesehen vom technischen Know-How bedeutet gute Fotografie für mich: das Gespür für den richtigen Moment, die Geduld, auf diesen zu warten und die Geistesgewandtheit, ihn zu erwischen. Ein bestimmtes Gefühl für Ästhetik und Komposition ist selbstverständlich ebenso Voraussetzung und in vielen Fällen – besonders natürlich bei People-Fotografen – sind Empathie und Offenheit wichtige Merkmale.
RAKOTZBRÜCKE - STUDY 3 von Ronny Behnert
Wie habt Ihr es geschafft, ein solch internationales Team zusammen zu bekommen?
In Berlin ist das sehr einfach – Menschen aus der ganzen Welt kommen hierher und bringen allerlei Fähigkeiten und Qualitäten mit, die sich in einem Startup bewähren können. Bei uns kommen die IT- und Design-Kenntnisse aus Italien, das bildredaktionelle Wissen aus Deutschland und Frankreich und Kommunikation, Projektmanagement sowie Unternehmensführung aus Deutschland.
In jedem Sektor gibt es Schwierigkeiten. Was war bisher Eure größte Hürde und wie habt Ihr sie überwunden?
Als Sozialunternehmen ist es schon deutlich schwieriger, an Kapital zu kommen, als als „normales“ Unternehmen. Wir zum Beispiel haben uns komplett über Auszeichnungen, Stipendien, Eigenkapital und unsere Umsätze finanziert. Da sind natürlich erst einmal keine großen Sprünge drin und an die Stelle teurer Marketing-Kampagnen rücken Witz, Kreativität und Networking. Das erfordert viel Einsatz, Optimismus und Durchhaltevermögen. Gepaart mit Momenten blanker Existenzangst (vor allem am Anfang) kann das schon ganz schön an die Substanz gehen. Was da hilft ist, sein Projekt wirklich mit Haut und Haar zu lieben, ein tolles Team und viel privater Support von Familie und Freunden.
Was sind Deine drei Top-Tipps für anstrebende SozialunternehmerInnen?
Dranbleiben. Außerdem unbedingt dranbleiben und ganz wichtig auch: Dranbleiben! Wenn Ihr eine Idee habt, an die ihr glaubt, dann lasst Euch auf keinen Fall vom anfänglichen Auf und Ab, von „Nein“-Sagern oder von Euch selbst entmutigen.
NUMMER 264 von Martin Röhr
Wie sehen Photocircle’s Zukunftspläne aus?
Wir haben diese Woche gemeinsam mit Kancha, das ja auch ein Berliner Social Business ist, einen sehr hochwertigen und schönen Kameragurt rausgebracht und zudem mit dem Verkauf von kuratierten Postkartensets begonnen. Zukünftig wollen wir auch über neue Produkte und Kooperationen mehr Menschen erreichen.
Seit Mai haben wir zudem unsere erste Galerie in Berlin Schöneberg. Das war ein großer Schritt für uns. Aber bisher hat er sich absolut gelohnt. Wir arbeiten auch von dort und es ist super, täglich mit Kunden und Fotografen ins Gespräch zu kommen. Das hilft uns auch unsere Webseite konstant weiterzuentwickeln.
Darüberhinaus wollen wir raus in die Welt! In Berlin kennt man uns inzwischen, in Rest-Deutschland auch schon ein wenig und immer wieder bekommen wir auch Bestellungen aus den USA oder sogar Australien. Aber da ist noch Luft nach oben – wir wollen, dass unser bislang einzigartiges Konzept überall bekannt wird.
Ethisches Konsumverhalten sollte nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall sein und darf keine Status-Frage, sondern muss für jeden erschwinglich sein. In vielen Bereichen der Fair-Trade-Bewegung beispielsweise hat sich gezeigt: Wer bewusst abwägt, ob er ein Produkt kauft, das mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Kind, zu einem viel zu geringen Stundenlohn oder in menschenunwürdigen Verhältnissen hergestellt, oder eines, dass unter fairen Bedingungen von einem verhältnismäßig gesunden und glücklichen Menschen produziert wurde – der wird sich tendenziell für letztere Variante entscheiden. Diese Herangehensweise möchten wir langfristig auch für den Kauf von Fotokunst erreichen und so bewirken, dass ein Foto nicht als Selbstverständlichkeit hingenommen wird. Wir bieten die Plattform dafür – nun müssen wir nur noch der ganzen Welt davon erzählen!
Was macht Dich zum Changer?
Einerseits unterstützen wir mit Photocircle natürlich Bildungs- und Entwicklungsprojekte in unseren Projektländern. Während wir mit einem Projekt beispielsweise Grundschulbildung für Mädchen in Afghanistan finanzieren, kaufen wir über ein anderes Ziegen oder Schweine zur Aufzucht für Familien im ländlichen Niger oder Myanmar. Oder wir helfen, Flüchtlinge in Deutschland über Sport zu integrieren. Etwas genereller gesprochen ist es aber auch unser Anliegen, die Art und Weise zu verändern, wie Fotografie gekauft beziehungsweise verkauft wird. Es gibt inzwischen bereits nachhaltige Alternativen für viele Produkte – Textilien, Elektronik, Nahrungsmittel. Unglücklicherweise jedoch zählte Fotografie bis Photocircle noch nicht dazu. Das ist jetzt anders.