Wie steht die Politik eigentlich zum Thema Social Entrepreneurship? Als GründerIn oder engagierte Angestellte eines Start-Ups sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen von großer Bedeutung für eine gute Umsetzung von Ideen. SEND, das neue Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschlands e. V. (zur aktuellen Crowdfunding hier lang), hat mal nachgefragt und wir haben sie bei der Auswertung unterstützt.
Anhand von elf Wahlprüfsteinen konnten die Parteien CSU/CDU, SPD, DIE GRÜNEN, DIE LINKE und die FDP angeben, welche Bedeutung sie dem Thema Social Entrepreneurship beimessen und welche Maßnahmen sie zu dessen aktiven Förderung in der kommenden Legislaturperiode ergreifen wollen. Das Ergebnis zeigt, dass die Parteien die Bedeutung von Social Entrepreneurship erkannt haben. Die tatsächliche Förderung von Sozialunternehmer*innen in der Praxis ist jedoch bislang mangelhaft.
“Obwohl alle Parteien Social Entrepreneurship offensichtlich gut finden, gibt es bislang noch zu wenig politische Unterstützung für das Thema. Unternehmen, die gesellschaftliche Probleme erkennen und mit gemeinwohlorientierten und innovativen Ansätzen lösen, müssen von der Politik gefördert und unterstützt werden. Wir fordern die Politik deshalb auf, die Förderung von SozialunternehmerInnen weit oben auf die politische Agenda zu setzen.“
Markus Sauerhammer, Vorstandsvorsitzender von SEND
Alle Antworten und eine schöne Zusammenfassung findest Du hier.
1. Welchen Stellenwert messen Sie Social Entrepreneurship grundsätzlich bei der Bewältigung unserer aktuellen und künftigen sozialen und ökologischen Probleme bei?
DIE LINKE: Die Förderung von Social Entrepreneurship sollte zu einer zentralen Aufgabe der Wirtschaftspolitik werden.
CSU/CDU: Sozialunternehmen spielen bei der Lösung aktueller gesellschaftlicher und sozialer Herausforderungen eine zunehmend wichtige Rolle, da sie eine wichtige Brückenfunktion für die Integration von Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik haben.
SPD: Für die SPD ist der Stellenwert hoch und wir wollen wir nicht nur technische Produktinnovationen, sondern auch soziale
Innovationen fördern, da diese neue Wege für die Lösung von gesellschaftlichen Problemen eröffnen.
DIE GRÜNEN: Soziale Innovation findet gerade in den Bereichen der solidarischen Ökonomie, des Social Entrepreneurship oder der Collaborative Economy statt und wir richten unsere Politik darauf diese Kreativität und Innovation freizusetzen.
FDP: Soziale Start-Ups und Social Entrepreneurship sehen wir als große Chance, im sozialen Bereich neue kreative Ideen und Methoden umzusetzen, die Antworten auf die Herausforderungen einer digitalen Gesellschaft geben und Teilhabe und Mitbestimmung auf ein neues Niveau heben.
2. Planen Sie, Social Entrepreneurship künftig stärker zu unterstützen? Auf welche Weise?
DIE LINKE: Das Gesellschafts- und Steuerrecht sollte den Besonderheiten dieses gemeinwohlorientierten Unternehmertums gerecht werden. Denkbar ist auch, dass soziale Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in bestimmten Fällen bevorzugt werden.
CSU/CDU: Der Praxisleitfaden des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für Soziales Unternehmertum ist eine Handreichung für Gründerinnen und Gründer, wobei dieser über 100 praxisgeprüfte Informations- und Unterstützungsangebote zeigt.
SPD: Um mehr Offenheit für die Idee von Sozialinnovationen zu schaffen, müssen die Instrumente der Gründungsförderung und -beratung dahingehend weiterentwickeln werden, dass sie auch sozialen Innovationen zugutekommen können.
DIE GRÜNEN: Wir wollen die Rahmenbedingungen für solch ein Engagement verbessern, wobei diese unbürokratischer gestaltet werden sollen und das Thema Social Entrepreneurship als strategische Aufgabe im Bundesministerium verankert werden soll.
FDP: Social Entrepreneurship ist für uns ein wichtiger Ansatz, wobei es uns vor Allem wichtig ist den Unternehmen einen fairen Zugang zum Markt der Leistungserbringer zu ermöglichen, um Hilfe und Unterstützung durch smarte Konzepte schneller und zielgerichteter ermöglichen zu können.
3. Planen Sie eine Unterstützung bestehender und / oder den Aufbau neuer Finanzierungsinstrumente für Social Entrepreneurship? Welche?
DIE LINKE: DIE LINKE will einen Zukunftsfonds einrichten, um den sozial-ökologischen Umbau der Industrie, die Gründung von Genossenschaften, die Übernahme von Betrieben in kollektives Belegschaftseigentum und regionale Wirtschaftsstrukturen zu fördern. Privatisierte Bereiche der Daseinsvorsorge wollen wir rekommunalisieren.
CDU/CSU: Bereits heute stehen auf Bundesebene Sozialunternehmen viele Förder- und Beratungsangebote offen.
SPD: Unser Wunsch ist es, dass Sozialunternehmen wachsen, weswegen wir die steuerlichen Vorschriften der Finanzierung mit Hybridkapiral vereinfachen, die Vorschriften für die Finanzierung von Sozialunternehmen durch die öffentliche Hand flexibilisieren und die Finanzierung von Kapitalkosten ermöglichen wollen.
DIE GRÜNEN: Ja, wir wollen Gründungen auch finanziell besser unterstützen. Keine gute Idee soll an knappen Eigenmitteln oder bürokratischen Regeln scheitern, weswegen ein zinsloses Darlehen in Höhe von 25.000 Euro für tragfähige Konzepte zur Verfügung stehen soll.
FDP: Wir Freie Demokraten wollen durch ein Venture-Capital-Gesetz die steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital in Deutschland verbessern, und zwar auch und gerade im Steuerrecht. Wir wollen zudem den rechtlichen Rahmen bei neuartigen Formen der Unternehmensfinanzierung vereinfachen.
4. Welche konkreten Schritte planen Sie, um sich bei der Umsetzung staatlicher Aufgaben für den Innovationsgeist von Social Entrepreneurs zu öffnen?
DIE LINKE: DIE LINKE will die milliardenschwere Innovations- und Technologieförderung des Bundes, auch die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierte außeruniversitäre Forschung, strategisch ausrichten, wobei neben technischen besonders soziale Innovationen an Wichtigkeit gewinnen sollen.
CSU/CDU: Um das Potenzial von Social Startups und Social Entrepreneurs zu nutzen, fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit 2012 die Entwicklung von Gründungszentren für Sozialunternehmerinnen und Sozialunternehmer zum Aufbau einer flächendeckenden Unterstützungsstruktur.
SPD: Wir planen, soziale Innovationen bei der Beschaffung besser zu berücksichtigen, weshalb das Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO) gestärkt werden soll. Wir wollen bei der institutionellen Förderung durch Zuschüsse von kommunalen und staatlichen Trägern die Chancen von Sozialunternehmen stärken.
DIE GRÜNEN: Um Social Entrepreneurs gleichwertige Rahmen- und Förderungsbedingungen zu bieten, wie der herkömmlichen Privatwirtschaft, erarbeiten wir eine koordinierte Strategie, deren Umsetzung auf Staatssekretärsebene im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt sein sollte.
FDP: Wir wollen gemeinsam mit den Verbänden und den jeweiligen Akteuren prüfen, in welchen Bereichen die gesetzlichen Regeln so geändert werden müssen, dass innovative, insbesondere auch digital getriebene Ansätze eine faire Chance bekommen und sich als Leistungserbringer etablieren können.
5. Planen Sie Maßnahmen, um die Sichtbarkeit von Social Entrepreneurship zu erhöhen? Welche?
DIE LINKE: Die Sichtbarkeit von Social Entrepreneurship wird sich deutlich erhöhen, wenn – wie DIE LINKE es fordert – soziales Unternehmertum, gemeinnützige Organisationen und Genossenschaften einen deutlich größeren Anteil an den wirtschaftlichen Aktivitäten haben.
CSU/CDU: Um die Öffentlichkeit stärker für das Soziale Unternehmertum zu sensibilisieren und die Vernetzung der Akteure zu fördern, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Jahr 2016 verschiedene öffentliche Veranstaltungen zum Sozialen Unternehmertum durchgeführt.
SPD:
DIE GRÜNEN: Es ist zentral, von staatlicher Seite zu begreifen, dass diese Unternehmen ein Mehrfaches an Wert schaffen: Sie tragen dazu bei, eine soziale oder ökologische Herausforderung zu lösen, schaffen Arbeitsplätze und erbringen die wertvolle Innovationen.
FDP: Konkrete Maßnahmen planen wir noch nicht. Allerdings ist es uns sehr wichtig, die öffentliche Debatte über Gründer und Start-Ups nicht auf technisch-betriebswirtschaftliche Bereiche zu verengen.
6. Planen Sie, Ressourcen zur Messung der Wirkung von Social Entrepreneurship zur Verfügung zu stellen?
DIE LINKE: Selbstverständlich sollte die Wirksamkeit von Social Entrepreneurship evaluiert werden. Das gilt insbesondere dann, wenn öffentliche Fördergelder bereitgestellt werden.
CSU/CDU:
SPD: Wir wollen bei der Evaluation von Förderprogrammen generell mehr Unabhängigkeit und Neutralität erreichen. Dabei sind Ergebnisse der Evaluationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
DIE GRÜNEN: Das Thema der sozialen Innovationen muss umfassend Eingang in die Forschungsprogramme und Innovationsstrategien der Bundesregierung finden.
FDP: Messungen zur Wirkung von Social Entrepreneurship sind noch nicht geplant. Das wäre Teil eines entsprechenden Umsetzungs- oder Evaluierungsprogramms.
7. Planen Sie, die Lehre und Forschung zu den Thema Social Entrepreneurship zu fördern? Wie?
DIE LINKE: Im Forschungsförderungsgesetz wollen wir einen verbindlichen Anteil für Grundlagenforschung im Bereich der solidarischen Ökonomie verankern und Zivilklauseln an allen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen einrichten, damit noch mehr als bisher zur Lösung von sozialen und ökoligischen Problemen beigtragen werden kann.
CSU/CDU: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung adressiert mit der 2016 gestarteten Bund-Länder-Förderinitiative „Innovative Hochschule“ (2016 bis 2027) die Zusammenarbeit von Hochschulen mit Wirtschaft und Gesellschaft einschließlich Sozialunternehmen.
SPD: Eine staatliche Förderung unkonventioneller Fab- oder Living-Labs ist ebenso wünschenswert wie die Vernetzung der Open-Szene mit der etablierten Forschungs- und Entwicklungsstruktur.
DIE GRÜNEN: Wir wollen mehr Öffentlichkeit und Sensibilität für die Potenziale des Sozialunternehmertums, z.B. in den
Gründungsförderungen und Beratungseinrichtungen vieler Hochschulen.
FDP: In dieser Exklusivität fordern wir dies nicht, allerdings wollen wir die drei Förderlinien Graduiertenschulen, Exzellenzcluster und Zukunftskonzepte verlässlich fortsetzen und um eine Förderlinie Lehre ergänzen.
8. Planen Sie Maßnahmen, um Gründungen von Social Entrepreneurs zu fördern? Welche?
DIE LINKE: DIE LINKE will Gründungen von Social Entrepreneurs mit einem Zukunftsfonds und einem Rekommunalisierungsfonds fördern und die bestehende Wirtschafts- und Gründungsförderung stärker auf soziale
und ökologische Zwecke ausrichten.
CSU/CDU: Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt seit 2012 Social Impact Labs, die als Gründungszentren Gründerinnen und Gründer von Sozialunternehmen bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Geschäftsideen beraten und Vernetzungsangebote bereitstellen.
SPD: Das Thema Unternehmensgründungen muss stärker in der Lehre verankert und es müssen Gründungsfreisemester für Studierende ermöglicht werden, um junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für eine eigene Gründung zu begeistern.
DIE GRÜNEN: Wir fordern 2 Jahre Befreiung von nicht unbedingt nötigen Melde- und Berichtspflichten, um den bürokratischen Aufwand zu verringern. Gründungsberatung und –förderung soll aus einer Hand in „One-Stop-Shops“ erfolgen.
FDP: Wir wollen den rechtlichen Rahmen bei neuartigen Formen der Unternehmensfinanzierung vereinfachen. Denn insbesondere junge Unternehmen benötigen am Anfang Geld, um ihr Geschäftsmodell auf- und auszubauen.
9. Planen Sie Maßnahmen, um Talente für den Bereich Social Entrepreneurship zu gewinnen? Welche?
DIE LINKE: DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass Schulen und Universitäten durch ein vielfältiges Angebot wesentlich mehr als bisher soziales und ökologisches Engagement fördern, entsprechende Kenntnisse vermitteln und in diesem Sinne handeln.
CSU/CDU:
SPD: Durch den Aufbau entsprechender Gründerzentren und Inkubatoren sowie mehr Informationen zum Thema Social Entrepreneurship wollen wir potentielle Gründer motivieren.
DIE GRÜNEN: Mit einer besseren Vernetzung von Schule, Wirtschaft und Wissenschaft sowie der fächerübergreifenden Vermittlung von Entrepreneurship schaffen wir eine positive Grundhaltung zum Unternehmer- und Gründertum.
FDP: Damit Studierenden nicht ausgebremst werden, fordern wir Hilfe bei studentischen Gründungen, wie die Möglichkeit eines Gründungssemesters oder ein vielfältiges fächerübergreifendes Angebot der Lehre.
10. Planen Sie Änderungen am Stiftungsrecht, insbesondere hinsichtlich des Kapitalerhalts und satzungsgerechter Risiken bei der Anlageverwaltung, die es Stiftungen ermöglichen, aus dem eigenen Kapitalstock in Sozialunternehmen und/oder entsprechende Fonds zu investieren (Stichwort "mission-related investments")?
DIE LINKE: Gegenwärtig plant DIE LINKE keine der genannten Änderungen des Stiftungsrechts.
CSU/CDU:
SPD: Die SPD tritt für eine Modernisierung des Stiftungsrechts ein und wird dabei auch Möglichkeiten zur Erleichterung von „mission-related investments“ prüfen.
DIE GRÜNEN: Eine Evaluierung des Stiftungsrechts in der nächsten Wahlperiode halten wir für sinnvoll. In diesem Zusammenhang sollte auch diese Frage genauer beleuchtet werden.
FDP: In dieser spezifischen Zielrichtung planen wir dies momentan nicht, allerdings wollen wir die Finanzierung von Start-Ups nach dem Vorbild des „Zukunftsfonds Schweiz“ ermöglichen.
11. Planen Sie Ansprechpartner in Ministerien/ eine Koordinierungsstelle/ einen ständigen Unterausschuss des Bundestags zu Social Entrepreneurship einzurichten?
DIE LINKE: DIE LINKE will die Wirtschaftsförderung demokratischer gestalten und verbindliche Anforderungen setzen: gute Arbeit und Löhne, Tarifverträge, ökologisch sinnvolle Produktion und die Förderung solidarischer Ökonomie.
CSU/CDU: Bereits heute stehen auf Bundesebene Sozialunternehmen viele Förder- und Beratungsangebote offen, wobei die Bundesregierung für eine größere öffentliche Bekanntheit sozialen Unternehmertums sorgt und die Vernetzung von Social Start-ups und etablierten Unternehmen fördert.
SPD: Institutionelle Änderungen bei der Behandlung des Themas Social Entrepreneurship plant die SPD derzeit nicht. Letztlich ist auch das Ergebnis der Bundestagswahl abzuwarten.
DIE GRÜNEN: Wir wollen, dass in der nächsten Wahlperiode eine Strategie „solidarische Wirtschaft“ vorgelegt und die Zuständigkeit für deren Umsetzung einer Staatssekretärin oder einem Staatssekretär im
Bundeswirtschaftsministerium übertragen wird.
FDP: Der soziale Sektor muss wirklich geöffnet und die entsprechenden Gesetze, die die Voraussetzungen für Leistungserbringer regeln, so angepasst werden, dass innovative Projekte auch realisiert werden können und nicht an der Bürokratie scheitern.
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