So kannst du dich politisch engagieren

Georg P. Kössler von Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über seine 5 Tipps für politisches Engagement.

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von Nadia Boegli, September 21, 2021
Politisch-engagieren

Spätestens seit der Klimakrise, dem Brexit, Trump und Co. beschäftigen sich immer mehr (junge) Menschen mit Politik und der Frage: wie kann ich mich eigentlich einbringen. Wir haben uns mit Georg P. Kössler, Sprecher für Klima- & Umweltschutz bei Bündnis 90/Die Grünen, zu diesem Thema unterhalten und ihn nach seinen persönlichen Tipps und seiner eigenen Motivation gefragt. 

politisches engagement

Wann bist du das erste Mal mit Politik in Berührung gekommen? Gab es einen Moment der dich ‘politisiert’ hat?

Ich bin von meinen Eltern seicht politisiert worden, indem sie das Problem der globalen Umweltzerstörung und die Gefahr von Krieg thematisierten. In meiner Schulzeit in Berlin-Köpenick haben wir auch mal die eine oder andere Nazi-Blockade gemacht. So richtig selber habe ich erst Feuer gefangen, als ich bei der Grünen Jugend einen Vortrag über die Grundlagen des Klimawandels gehalten habe. Da habe ich auch gemerkt, dass wer für ein Thema brennt auch Menschen dafür begeistern kann. Seitdem bin ich bei den „Öko-Themen“ geblieben, weil mich das am tiefsten berührt.

Was (und wann) war dein erster Berührungspunkt mit den Grünen? Und warum die Grünen?

Zu meiner Schulzeit habe ich mir mal eine Arbeitsgruppe der Grünen Partei angeschaut, aber das war mir zu trocken und alt - oder ich einfach zu jung. Ich wollte mich dann mit Beginn des Studiums in Erlangen irgendwo engagieren und kam über einen Freund zur dortigen Grünen Jugend. Schnell habe ich dort viele Freundschaften geschlossen, weil wir ein gemeinsames Wertgerüst hatten: z.B. Pazifismus, radikaler Umweltschutz und Kapitalismuskritik. Außerdem hatten wir den Grundsatz, dass Spaß auch Politik machen muss. Denn sonst erreicht man in einer Studierendenstadt keine Leute. Natürlich hatte ich auch Glück - wäre ich zu einer realpolitischeren Ortsgruppe gegangen, hätte mich das bestimmt frustriert.

Einschneidend war es, dass ich damals „echte Politiker“ kennengelernt habe und merkte: Das sind ja auch nur Menschen! Und die hören mir sogar zu, wenn ich denen was erzähle. Es ist bei den Grünen nämlich einfacher als man denkt, einfach mal „mitzureden“.

Wie verlief dein weiterer Weg? Bzw.: Wie kamst du bei der letzten Wahl ins Berliner Abgeordnetenhaus?

Bei der Grünen Jugend habe ich den „klassischen“ Karriereaufstieg verpasst, als ich eine Wahl in den Bundesvorstand 2008 knapp verloren habe. Danach bin ich einfach meinen eigenen Weg gegangen und habe nur gemacht, worauf ich Lust hatte: Internationale Vernetzung bei den Globale Young Greens, Aktivist in der Klimabewegung bei „Gegenstromberlin" und später dann bei der Grünen Partei als Sprecher der bundesweiten Arbeitsgruppe Energie. Zudem bin ich immer in Berlin etwas aktiv geblieben und habe auch Parteitagen nerdige Anträge zur EEG-Umlage, dem Kohleausstieg oder „Divestment“ gestellt. Dadurch hatte ich wohl den Ruf, ein fleißiger Bursche zu sein, dem es vor allem um sein Fachthema geht. Damit kommt man vielleicht nichts ins große Rampenlicht, aber man wird auch zwischen den Parteiflügeln nicht so zerrieben.

 

 

2016 hatte ich dann etwas Glück: In Neukölln wurden die Wahlkreise neu zugeschnitten und wir suchten für die Gegend um den Richardplatz noch eine/n gute/n Kandidat/in. Doch ich brauchte auch einen Listenplatz. Da traf es sich gut, dass der langjährige Klimapolitiker der Berliner Grünen, Michael Schäfer, nicht noch einmal für das Landesparlament antrat und mich ins Herz geschlossen hatte. Und dann hatte ich beim Aufstellen der „Landesliste“ der Berliner Grünen einfach einen guten Tag und hielt angeblich eine gute Rede. Wums, da hatte ich einen aussichtsreichen Listenplatz 12. (Heute sind wir 27 in der Fraktion!)

Gab es etwas, dass dich überrascht hat an der Arbeit als Berufspolitiker?

Da ich vorher als Mitarbeiter im Bundestag gearbeitet habe, war ich vielleicht besser vorbereitet als andere neue Abgeordnete. In Berlin ist alles eine Nummer kleiner und langsamer als im Bundestag. Und wie überall gilt: Wir sind nur Menschen, die auch mal eine Deadline verpassen, einen Zahlendreher haben oder krank werden. Man würde nicht glauben, wie viel individuelle Gründe am Ende mit entscheiden, was genau und wann beschlossen wird.

Überraschend finde ich, wie wenig Bürgerbriefe oder Einladungen zu Diskussionen wir bekommen. Die Menschen achten viel mehr auf die Bundespolitik. Dabei entscheidet sich so viel in Berlin und wir neue Abgeordnete gehen wirklich jeder (sinnvollen) Anregung nach, die wir bekommen.

Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?

Ich bin pazifistisch erzogen worden und deswegen zu den Grünen gegangen - trotz Kosovokrieg. Grüne waren schon immer weniger Scheisse als die anderen.

Was mich total bewegt ist die menschliche Zerstörung der Umwelt und des Klimas. Wenn wir da nicht eine radikale Kehrtwende hinbekommen, ist alles andere egal. Der Neoliberalismus und die menschliche Faulheit führen zu einem Leugnen bzw. Weggucken oder zu falschen Lösungen (z.B. einem „grünen Kapitalismus“ mit CO2-Ablasshandel usw.). Wir müssen uns endlich wieder trauen, große Alternativen zu denken.

Was sind deine 5 Top Tipps für alle, die sich gerne politisch engagieren möchten?

  • Mach das, was Dir Spaß macht! Nur dann bist Du gut. (Das bedeutet auch: Hab noch andere Hobbies!)
  • Identifiziere Deinen Antrieb! Welches Problem bzw. Thema lässt Dich nachts nicht schlafen? Wofür musst du kämpfen, damit Du innere Erfüllung hast? (Wenn Du nur „Einfluss haben“ willst, werde lieber einflussreiche*r Mitarbeiter*in, das ist weniger stressig.)
  • Schließe Freundschaften und bleib treu! Natürlich kann man Politik & Privates auch trennen. Aber rein professionelles Netzwerken ist erstens ziemlich 20. Jahrhundert und zweitens helfen Dir Sympathie und Zuneigung zu coolen Menschen über die (ganz normalen!) Durststrecken.
  • Finde Deine Rolle! Bist Du eher der Themen-Nerd, die große Organisatorin oder ein strategischer Kopf im Hintergrund? Stärke die Stärken und gehe offen mit den Schwächen um. (Bitte nicht gleich mit dem Anspruch rangehen, alle Fäden ziehen zu wollen… in solche Rollen wächst man eher hinein.)
  • Sei fleißig! Es sollte Dir schon Spaß machen, Abends noch lange Mails zu schreiben oder Dich Sonntags in die Details eines Thema rein zu fuchsen. (Natürlich musst du wegen Familienleben oder Burnout aufpassen.)

#OldieButGoldie Dieser Artikel erschien zuerst im Mai 2017