Das Team von Between The Lines füllen aufwändige Förderanträge aus, stellen sich bei Jurys vor und wollen nebenbei ihre App weiterentwickeln. Wie gehen sie mit der unsicheren Zukunft im Förderungen-Hamsterrad um? Wie bleibt man als Start-up sowohl bereit für den Hauptgewinn, als auch für den richtigen Moment Plan B zu starten?
Viel Arbeit für alles oder nichts
Der Versuch, Fördergelder für das eigene Herzensprojekt zu bekommen, ist vor allem eines: viel Arbeit, von der man nie weiß, ob sie sich auszahlt. Nick Wüsthoff, Oliver Kröger und Beat Weichsler von Between The Lines e.V. können davon ein Lied singen: Im letzten Jahr verbrachten sie einen Großteil ihrer Zeit damit, mögliche Geldgeber*innen zu recherchieren und sich bei ihnen vorzustellen. Fördergelder würden sie auf die nächste Stufe heben: Sie könnten sich selbst Stellen finanzieren, Freelancer*innen für die Lücken bezahlen und so bald deutschlandweit wirken.
Oliver und Nick von Between The Lines.
Between The Lines entwickelt eine App, mit der sich Jugendliche in Krisensituationen Unterstützung bei der passenden Jugendhilfeorganisation in der Nähe besorgen können. Erscheint einem erstmal wie ein goldener Pitch für öffentliche Geldgeber*innen: Der Jugendhilfe-Sektor müsste dringend digitalisiert werden, um junge Menschen besser zu erreichen. “Das Feedback ist super. Da kann ich mittlerweile ein ganzes Zimmer mit tapezieren”, lacht Oliver. Dennoch bekam das Team Ende des letzten Jahres Absagen für zwei substanzielle Förderanträge.
Die Prozesse dahinter sind undurchsichtig: Antragsteller*innen wissen oftmals nicht, wer die letztendlichen Entscheidungsträger sind und welche Entscheidungskriterien am Ende ausschlaggebend für eine Förderung sind. Erschwerend kommt hinzu, dass Fördermittel teilweise in einem deutlich geringeren Umfang bewilligt werden, oder Antragsteller*innen auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet werden. Auch Zusagen mit Bedingungen und Auflagen, die Gründer*innen nicht erfüllen können oder wollen, etwa zu kleine Summen für Gehälter, sind immer möglich.
Trotzdem die Zukunft planen – Was-wäre-wenn, nur bitte in umsetzbar
Wie geht man damit um? Bei der Recherche nach Förderung und Unterstützung für junge gemeinnützige Start-ups stieß das Team irgendwann auch auf das Skalierungs-Programm, in dem sie jetzt sind: Impact Collective. Im Zuge der Coachings von Kai Hübner und den bereitgestellten Beratungen von Expert*innen haben sich Between The Lines auch einen Plan B neben Fördergeldern erarbeitet: “Wir planen gerade zweigleisig. Einmal: Wir haben das große Fördervolumen und können entspannt arbeiten. Und der andere Weg: Wir arbeiten über Pilotprojekte”, berichtet Oliver. Im letzteren Fall bauen Projektleitende, die nur für einzelne Kommunen zuständig sind mit einer geringen Geldmenge von der jeweiligen Stadt das Modell Between The Lines lokal auf. Allerdings müssen diese Projektleiter*innen unterstützt und koordiniert werden, was dem Kern-Team einiges abverlangt und nur mit sehr klarer Rollenverteilung funktioniert. Und ab einer gewissen Zahl von Kommunen ist es wohl mit den jetzigen Ressourcen überhaupt nicht mehr möglich: “Das können wir nicht mehr nebenbei tun. Dann müssten wir in Vollzeit tätig sein”, so Oliver.
Kai Hübner von der Impact Collective.
Kai von Impact Collective erklärt: “Die Frage ist dann: Wie schafft man den Übergang von alle-machen-alles zu einer Organisation, in der alle wissen, wer was macht, wer dafür die Verantwortung trägt und wen man sich für bestimmte Dinge reinholen muss? Nur so kann das Start-up richtig wachsen.” Vor allem, wenn das Team zurück in den Bootstrapping-Modus geht und Kommune für Kommune ihre Lösung unter Beweis stellt, müssen die Zuständigkeiten im Team und der Stand mit den jeweiligen Stakeholdern zu jeder Zeit und für alle klar sein. Wenn Between The Lines es im Zuge dessen schaffen, Daten zu sammeln und ihre Prozesse zu perfektionieren, könnten sie bald vielleicht auch die Krankenkassen von sich überzeugen. Neben Städten, Bund und Ländern würden auch diese enorm von einer App profitieren, die Jugendliche unterstützt, und zwar bevor sie stationäre Hilfe benötigen. Oliver: “Es ist auf jeden Fall eine gute Investition, aber wir müssen es verkaufen können.” Für den Über- und Weitblick, die man als Gründer*in im Tagesgeschäft auch mal verlieren kann, seien Coaches und Berater*innen enorm hilfreich, die Weit- und den Überblick haben: “Manchmal brauchen wir wirklich jemanden von außen, der sagt, macht das doch so und so und so und dann könnt ihr alle ein bisschen entspannter arbeiten”, berichtet Oliver. “Impact Collective hilft dabei, zu verstehen, was du brauchst und was die Schritte sind, um dort hinzukommen”, beschreibt Kai. “Wir kennen meistens genau die richtige Person für eine Herausforderung. Unsere Fellows müssen nicht selber trial-and-error-mäßig unterwegs sein, sondern kriegen alles Strukturelle an die Hand und können das dann mit Leben füllen.”
Ein stabiles Fundament mit Leben füllen
Was hilft noch, um den nötigen Drive und einen kühlen Kopf zu bewahren? “Es ist auch viel mehr bürokratischer Aufwand, als ich gedacht hätte. Nichtsdestotrotz unglaublich, was wir bis heute an den Start gebracht haben”, erzählt Oliver. Aus seiner Arbeit in einer Jugendpsychiatrie weiß er genau, was am Ende mit Jugendlichen passiert, die keinen guten Zugang zu früher Hilfe haben. “Das erschüttert mich und treibt mich massiv an, Between The Lines großflächig in Deutschland rauszubringen.” In 17 Städten stehen schon Pilotprojekte in den Startlöchern. Between The Lines holen sich über Impact Collective als Nächstes Hilfe bei ihren Organisationsstrukturen und im Fundraising. Das Fundament ist also gelegt.