Selfapy bietet Online-Therapie-Kurse bei Depressionen, Angst, Burnout und Essstörungen. Wir wollten wissen, wie das genau funktioniert, welche Barrieren es in Deutschland gibt und was für Zukunftspläne Selfapy hat. Um all' diese Fragen zu beantworten, haben wir Nora Blum – Psychologin, Gründerin & CEO, interviewt. Sie ist der Ansicht, dass jeder in seinem Leben in eine Krise geraten kann und es nicht so schwer sein sollte, professionelle Hilfe zu erhalten. Lass' dich von ihr inspirieren!
1. Wie bist du auf die Idee gekommen, eine psychologische Online-Therapie anzubieten?
Die Idee kam mir und Selfapy Mitgründerin Kati Bermbach während eines Gesprächs über die Versorgungssituation für psychisch Erkrankte. Wir sind beide Psychologinnen und stellten während unseres Studiums fest, dass Betroffene es in Deutschland sehr schwer haben, Hilfe zu bekommen. Eines der größten Probleme sind die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz, die je nach Region zwischen 3-6 Monate betragen können. Diese Situation wollten wir ändern und sahen in der Digitalisierung des Gesundheitssystems und der Psychotherapie eine große Chance.
"Seit Anfang 2016 haben über 2000 Menschen unsere Online-Kurse absolviert. Eine Evaluation unseres Kurses gegen Depressionen hat [...] gezeigt, dass der Kurs vergleichbar effektiv ist wie eine klassische Psychotherapie."
2. Siehst du Probleme oder Barrieren in Deutschland, die es den Menschen, die eine Therapie benötigen, erschweren auch wirklich eine zu machen?
Ganz bestimmt. Die langen Wartezeiten verhindern oftmals den Beginn einer Therapie während einer akuten Phase. Es gibt nicht genügend Psychotherapeuten mit Kassenzulassung und eine private Therapie ist für die meisten Betroffenen nicht bezahlbar. Auch die Angst stigmatisiert zu werden oder berufliche Nachteile zu haben, hält Viele davon ab, sich für psychische Erkrankungen in Behandlung zu begeben.
3. Was ist der genaue Unterschied zwischen einem 9-Wöchigen-Kurs mit und ohne psychologische Betreuung? Wie können sich potenzielle Patienten am besten für einen entscheiden?
Während eines Selfapy-Kurse mit psychologischer Betreuung wird der Patient durch einen persönliche Psychologen begleitet. Dieser steht ihm einmal wöchentlich während eines 20 bis 30-minütigen Telefon- oder Chatgesprächs zur Verfügung. Hier können Fragen zum Kurs gestellt, Wochenübungen besprochen und Feedback eingeholt werden. Diese Form der Reflektion trägt maßgeblich dazu bei, das neu Gelernte langfristig im Alltag zu verankern. Ein Kurs mit psychologischer Betreuung bietet sich vor allem für Patienten mit einer ausgeprägten Symptomatik an, während die unbegleiteten Kursen bei leichten Symptomen oft ausreichen. Ein Upgrade zum begleiteten Kurs ist natürlich jederzeit möglich.
4. Kannst du abschätzen wie die Erfolgsquote von Selfapy ist? Wie viele Menschen profitieren von eurem Angebot?
Seit Anfang 2016 haben über 2000 Menschen unsere Online-Kurse absolviert. Eine Evaluation unseres Kurses gegen Depressionen hat eine Symptomreduktion von 35% nachgewiesen und gezeigt, dass der Kurs vergleichbar effektiv ist wie eine klassische Psychotherapie.
5. Ihr bietet auch einen Service für Unternehmen an. Wie lässt sich Selfapy in den Arbeitsalltag integrieren?
Unsere Kurse beinhalten neben psychoedukativen Texten und Videos vor allem auch viele praktische Übungen, die nicht nur problemlos in den Arbeitsalltag integriert werden können, sondern diesen sogar erleichtern. Zusätzlich bieten wir Mitarbeitern in Unternehmen vor Ort Vorträge und Workshops an, um das Thema psychische Gesundheit bei den Mitarbeitern präsent zu machen.
6. Ich kann mir vorstellen, dass einige eine Online-Selbst-Therapie als kritisch betrachten. Was war die größte Herausforderung, die es auf dem Weg zur Realisierung von Selfapy gab?
Natürlich gibt es immer kritische Stimmen. Einige Kritiker glauben, wir möchten mit Selfapy die klassische Psychotherapie ersetzen. Dem ist nicht so. Wir sehen die Online-Therapie als Ergänzung und als Möglichkeit, die lange Wartezeit, mit der sich viele Hilfesuchende konfrontiert sehen, sinnvoll zu überbrücken.
7. Gibt es eine Erfolgsgeschichte, die du mit uns teilen möchtest?
Unser Kurs gegen Stress bzw. Burnout wird mittlerweile von fast allen gesetzlichen Krankenkassen bis zu 100% rückerstattet. Das war für uns ein wichtiger Schritt, da so jeder an unserem Kurs teilnehmen konnte, auch ohne die 80€ zahlen zu müssen. Unser Ziel ist es, dass irgendwann alle Kurse von den Krankenkassen erstattet werden.
8. Was sind eure Pläne für 2018 und darüber hinaus?
Wir werden weiter daran arbeiten, dass unsere Online-Kurse von den Krankenkassen in die Regelversorgung aufgenommen werden. Außerdem werden wir unser Angebot ausweiten und Kurse gegen Traume, Zwangsstörungen und Sucht anbieten. Aktuell bieten wir Kurse bei Depression, Angst, Burnout oder Essstörungen an, sowie leichtere Themen wie Achtsamkeit, Selbstwert und Bewegung.