Wie werden eigentlich Förderprogramme entwickelt? Das habe ich mich besonders als Gründerin gefragt und auch, als ich selbst den Auftrag bekam für die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft ein Konzept für ein neues Förderformat zu erarbeiten.
Meine persönliche Meinung, aber auch von vielen Social Changemakern in meinem Netzwerk, war und ist, dass diejenigen, die die Programme entwickeln nicht so genau wissen, was die Geförderten eigentlich brauchen.
Umso begeisterter war ich, als der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Andreas Eberhardt beim Kickoff für den Accelerator in Prag sagte: „In der Entwicklung all unserer Programme ist es uns immer ein großes Anliegen, die Menschen mit ins Boot zu holen, die später auch davon profitieren sollen.“ Ebenso ExpertInnen, die bereits beliebte Programme für eine ähnliche Zielgruppe entwickelt haben. Wir haben daher in Zusammenarbeit mit tbd* eine Umfrage entwickelt, die 29 Fragen gestellt hat: rund um das Thema Förderung für soziale Projekte und Unternehmen - Was funktioniert und was nicht? Mehr als 120 Social Changemaker aus dem In- und Ausland haben uns ihre Zeit geschenkt und uns Antworten gegeben.
Andreas Eberhardt sagte im Interview mit tbd* dazu: „Ich war überrascht als ich erfuhr, dass diese Bedürfnisse und Erfahrungswerte noch nie großflächig abgefragt wurden. Ich glaube, dass die Erkenntnisse spannend und nicht nur für unser Vorhaben eine wichtige Ressource sein werden. Auch deshalb haben wir uns gleich zu Beginn der Planungen dafür entschlossen, die Ergebnisse der Umfrage open-source zur Verfügung zu stellen.“
Ambivalentes Verhältnis zu bestehender Förderung
Etwas mehr Frauen haben geantwortet, die meisten Antwortenden waren 30-35 Jahre alt und GründerInnen eines sozialen Unternehmens, etwas weniger eines sozialen Projektes, d.h. einer Initiative ohne Geschäftsmodell. Einige befinden sich auch noch in (Teilzeit-)Anstellung und gründen nebenbei bzw. haben Ambitionen etwas zu gründen. Die meisten Projekte sind seit zwei oder weniger Jahren aktiv.
Bei der Frage, welche drei Worte spontan mit dem Thema Förderung und Fördermittel verbunden werden, schlägt sich mein eigenes ambivalentes Verhältnis dazu deutlich nieder: Negatives überwiegt, oft fallen die Begriffe: Bürokratie, umständlich, Intransparenz. Die meisten Antwortenden nutzen ihre drei Begriffe, um zwei negative und einen positiven Aspekt zu nennen; denn die Notwendigkeit von Förderung und deren gute Seiten werden ebenso erwähnt: Chance und Sicherheit liest man oft in den Antworten. Eine Person schreibt: „Einschränkungen, kompliziert, eigentlich brauch ich die.“ Kein Wunder, dass ein Großteil der Umfrageteilnehmer angibt, die Gründung des Projektes durch privates Erspartes und einen Job nebenbei finanziert zu haben, erst an dritter Stelle kommen Fördermittel. Da über 80% der Antwortenden bereits Fördermittel - vornehmlich bei Stiftungen, aber auch bei Ministerien und der EU - beantragt haben, kommen ihre Aussagen auch nicht vom Hörensagen. Fördermittel nicht in Anspruch zu nehmen begründen die Gründer damit, dass sie entweder keine passende Förderung gefunden hätten - der aufwändige Suchprozess wurde auch bei der Frage wo man nach Fördermitteln suche bemängelt - bzw. die Bewerbung zu aufwändig gewesen wäre, manchen war aber auch die Gründungsidee noch nicht reif genug, was vielleicht darauf hindeutet, dass zu wenig Programme im Angebot sind, die in der Ideenphase unterstützen. Dazu ein Zitat aus den freien Antworten: „Eine deutschlandweite Förderkartei, in der ich mich als Förderziel einmal für alle Förderprogramme deutschlandweit eintragen kann, ohne mir jedes Mal wieder zeitaufwändig neue Projekte aus den Fingern saugen zu müssen (…)“
Bewerbung und Reporting neu denken
Auch das Thema (umfassendes) Reporting wurde immer wieder genannt. Zusammenfassend kann man sagen, hier begegnen sich die beiden Parteien (Förderer und Geförderte) meist nicht auf Augenhöhe. Anzumerken ist jedoch, dass es ohne Antrag und Reporting geht es nicht, denn Stiftungen und Förderer unterliegen strengen Vorgaben aus Satzung und Gesetzgebung, oft handelt es sich um eine Förderung durch Steuergelder. Aber etwas einfacher und partnerschaftlicher muss doch möglich sein! Interessanterweise wurde bei den Fragen nach bevorzugtem Bewerbungs- und Abschlussformat dann aber doch oft das schriftliche Antragsformular und der Bericht genannt. Das ist allerdings nicht verwunderlich, auch unsere ExpertInnen (Wir danken an dieser Stelle ganz herzlich Regina von SDI, Markus von SEND, Yatan von hardware.co, Ana vom Migration-Hub-Network und Julia vom Prototype-Fund) im Workshop hoben hervor wie wichtig es ist eine Idee niederzuschreiben, allerdings kommt es auf Verständlichkeit der Fragen und Umfang an. Die Antworten in der Umfrage klären sich zum Teil in den freien Antworten und in unserer Bitte ein Wünsch-Dir-Was-Förderszenario zu beschreiben: Frustriert sind Antragstellende von Unklarheiten in der Ausschreibungen, starren Formaten und vor allem der Unmöglichkeit vorher mit dem Förderer in Kontakt zu treten, um herauszufinden, ob Aussicht auf Erfolg besteht und man wirklich zusammenpasst. Wir nähern uns dem Fördern auf Augenhöhe.
- EVZ Lab for Civil Society startet in Prag
- Ihr seid eine tschechische Initiative, die sich um die Stärkung der Demokratie und offene Gesellschaften oder Erinnerungskultur kümmert? Ihr wollt im Austausch mit andere Initiativen und unterstützt von Mentoren an den nächsten Schritten eures Projektes arbeiten? Dann bewerbt euch ab 6.5. beim EVZ Lab in Zusammenarbeit mit den tschechischen Impact Hubs.
Geld - Anschlussfinanzierungen - relevante Netzwerke
Die Antwortenden priorisieren klar ihre Bedarfe: Finanzielle Förderung des Teams (also Gehälter) kommt an erster Stelle, es folgen Finanzierung der Kosten, Zugang zu Förderern und Investoren für Anschlussfinanzierung, der Zugang zu einem relevanten Netzwerk, Mentoring und zuletzt Bürofläche. Folgende Antwort fasst auch die Angaben der anderen Gründer gut zusammen: „Das perfekte Fördererlebnis wäre eine Freedom-to-operate durch die Förderung. Ich könnte mit den Finanzmitteln meinen Lebensunterhalt bestreiten und von einfach abzurufenden Sachkosten sinnvolle Anschaffungen machen. Hierfür bräuchte ich nicht lange Formulare ausfüllen, sondern hätte eine einfache Möglichkeit der Bewilligung von Investitionen. Bei Problemen gäbe es Coachs und Mentoren im Programm, die alle Ebenen der Entwicklung (Hardware, Software, Geschäftsmodell, Recht) begleiten und aktiv bei der Umsetzung helfen würden.“ Und nahezu alle wünschen sich schnelle und flexible Bewilligungszeiten und Förderzeiträume, außerdem langfristige Förderungen über sechs Monate hinaus, einen engagierten kompetenten Förderer, der dabei unterstützt Anschlussfinanzierung zu bekommen.
Förderung auf Augenhöhe
Was sagen uns die Ergebnisse dieser Umfrage? Zunächst sagt mir die Zeit, die sie die Gründer genommen haben oftmals sehr ausführlich zu antworten, dass ein großer Wunsch nach Veränderungen in der Förderlandschaft besteht. Wir haben hier in Deutschland, aber auch im Rest Europas eine ausgeprägte Förderstruktur, die allerdings das Thema social Entrepreneurship noch für sich entdecken muss und auf die agilen und schnell voranschreitenden Gründer reagieren muss. Es hat sich eine neue Kundengruppe aufgetan, die ihre Projekte schnell und effizient und auf Augenhöhe umsetzen möchte. Die Gründer lösen große gesellschaftliche Herausforderungen nachhaltig und begegnen ihren Zielgruppen auf Augenhöhe, wollen befähigen anstatt zu helfen. Zurecht fordern sie daher ein, dass ihnen auch die Förderer partnerschaftlich begegnen und für innovative Ideen und Arbeitsweisen offen sind. Gelingen kann dies, wenn sich Förderer öffnen und die Gründer ihrerseits Einblick in ihre Methoden gewähren und zeigen, dass sie auch ohne 30-seitigen Report die Gelder wirksam einsetzen.
Bei der EVZ ist als Ergebnis das EVZ Lab for civil society entstanden, das ab Sommer 2018 Gründer in der Tschechischen Republik unterstützt, die sich um die Themen Stärkung der Demokratie und offene Gesellschaften kümmern. Das Programm ist als mehrmonatige Akademie ausgelegt, wobei die Teams immer wieder an einem der drei tschechischen Impact Hubs zusammenkommen. Das erste Jahr ist als Pilot angelegt und wird bei Erfolg aller Voraussicht nach internationalisiert. Tschechische Teams können sich hier bewerben: https://www.evzlab.org
Wir haben die Daten der Umfrage hier hinterlegt und freuen uns, wenn auch andere diese auswerten oder als Basis neuer Programme und Forschung nutzen.