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Mit seinem 2009 gegründeten SHADES OF LOVE – The Himalayan Eyewear Project sammelt der Münchner Café-Betreiber Jürgen Altmann Sonnenbrillen und verteilt diese an die Bewohner der nordindischen Himalaya-Region Ladakh. Ladakh ist eine wüstenähnliche Hochebene, in der die Menschen auf einer Höhe zwischen 3500 und 5000 m ganzjährig intensiver Sonneneinstrahlung und damit den schädlichen UV-Strahlen ausgesetzt sind. Wer dieser Höhensonne mit bloßem, ungeschütztem Auge ausgesetzt ist, riskiert gefährliche Augenverletzungen und Linsentrübungen, wenn nicht gar Erblindungen. 80 Prozent der dort lebenden Bevölkerung leidet an Augeninfektionen.
Seit einigen Jahren ist der Münchner Jürgen Altmann nicht nur in der Region Ladakh, sondern auch in Nepal aktiv. Seit dem verheerenden Erdbeben am 25. April 2015 in der Nähe von Kathmandu gleichen viele der betroffenen Regionen noch immer einem Trümmerhaufen. Tausende Menschen wurden über Nacht obdachlos und sind teilweise bis heute gezwungen, in provisorischen Unterkünften aus Plastikplanen zu übernachten. Ein Grund mehr, persönlich mit Gründer über seine ungewöhnliche Charity Initiative Shades of Love, sowie über die Menschen und die aktuellen Lebensumstände in der Himalaya-Region zu sprechen.
Den Grundstein deines Charity Projektes SHADES OF LOVE legte ein Motorradtrip durch die Himalaya-Region. Magst du kurz erzählen, wie alles begann?
2004 habe ich mir eine Auszeit von meinem damaligen Job genommen und bin zum ersten Mal nach Ladakh gereist. Mit einem Motorrad bin ich in entlegene Bergdörfer gefahren und habe für eine Kinderorganisation Spielzeug und Bekleidung an bedürftige Kinder verteilt. Weil mich die Begegnungen mit den Menschen dort so berührt haben, bin ich die Jahre darauf immer wieder in diese Region geflogen. Dort habe ich dann unter anderem auch zum ersten Mal bei einem Augencamp mitgeholfen und gemerkt, dass dieses für uns simple und überall zu erstehende Gut Sonnenbrille dort quasi nicht existiert, obwohl es gerade für diese Menschen kein schickes Lifestyle-Accessoire ist, sondern eine lebenswichtige Ausstattung. Also habe ich nach meiner Rückreise kurzerhand eine Sammelaktion in meinem Café (Anmerkung der Redaktion: die liebevoll eingerichtete Aroma Kaffeebar im hippen Münchner Glockenbachviertel) gestartet und Optiker um Unterstützung gebeten. 2009 bin ich dann mit rund 300 Brillen im Gepäck nach Ladakh geflogen, habe mir vor Ort ein Motorrad gekauft (das seitdem dort steht, und bei jedem Besuch auf mich wartet) und bin damit in die Bergdörfer gefahren. Ich habe die gesammelten Brillen verteilt und – als Referenz für die Optiker – Fotos von den glücklichen, neuen Brillenbesitzern gemacht. Vor zwei Jahren bin ich dann zum ersten Mal auch nach Nepal gereist. Inzwischen arbeite ich dort mit der größten Augenklinik in Katmandu zusammen, die regelmäßige Eye Camps in den abgelegenen Bergregionen organisiert.
Auch ein Dreivierteljahr nach der Katastrophe helfen viele Freiwillige sowie zahlreiche Hilfsorganisationen bei der Räumung der Ruinen und versorgen die Menschen mit Lebensmitteln, Zelten und Decken, die gerade jetzt angesichts des Wintereinbruchs mit dem Überleben kämpfen. Wie lange wird Nepal deiner Einschätzung nach noch massiv auf externe Hilfe angewiesen sein?
Also ich habe gehört, dass es sicherlich noch zwei Jahre dauern wird, bis wieder halbwegs Normalität eingekehrt ist. Die Regierung von Nepal macht es den Hilfsorganisationen aber auch nicht gerade einfach, da sie einen speziellen Zoll auf die Hilfsgüter draufschlägt und somit versucht, sich an der Katastrophe zu bereichern.
Ein klassischer Fall von Korruption… Aber apropos Regierung, sollte solch eine Aufklärungsarbeit wie du sie betreibst, nicht eigentlich Aufgabe der Regierungen sein?
Ja, aber leider befindet sich die Aufklärungsarbeit noch in den Kinderschuhen, da die Menschen ganz andere Sorgen haben. Gerade deshalb sind Aufklärung-Camps von enormer Bedeutung. Mein Ziel ist es, flächendeckend Eye Education Camps aufzubauen.
Die Menschen zeichnen sich durch eine große Dankbarkeit aus, man bekommt direkt etwas von ihnen zurück.
Du reist inzwischen seit mehr als zehn Jahren in die nordindische Himalaya-Region. Was zeichnet die Menschen dort aus?
Die Menschen leben dort in bitterer Armut und dennoch sind das sehr fröhliche Persönlichkeiten. Die Einheimischen sind mit so wenig zufrieden und das bisschen Besitztum, das sie haben, teilen sie von Herzen mit anderen. Diese Liebenswürdigkeit hat mich vom ersten Moment an fasziniert und war einer der wesentlichen Gründe, das Shades of Love-Projekt überhaupt ins Leben zu rufen. Die Menschen zeichnen sich durch eine große Dankbarkeit aus, man bekommt direkt etwas von ihnen zurück. Ehrliche Freude.
In einem TED-Talk hast du den schönen Satz »Wenn man nach dem Wie fragt, kommen die Dinge ins Rollen« gesagt…
Wenn man sich nicht von den erst besten Hindernissen abschrecken lässt und ausreichend von einer Sache überzeugt ist und nach kreativen Lösungen sucht, kann man erstaunlich viel bewegen.
Bis heute hast du mit deinem Projekt nicht nur etwa 15000 Brillen gesammelt, ihr bietet auch kostenlose Augenuntersuchen und Operationen in den Bergen an, sondern auch Tausende medizinischer Untersuchungen sowie hunderte Operationen durchgeführt. Wie hast du es geschafft, so viele Menschen Organisationen von deinem Vorhaben zu überzeugen? Wie findest du eigentlich Sponsoren?
Nach meiner ersten Verteilungsaktion 2009 habe ich in meinem Café eine Fotoausstellung gemacht, die viel Aufmerksamkeit gebracht hat. Inzwischen gehe ich zum Beispiel auch auf Sportartikelmessen und spreche die Firmen direkt an und frage sie, ob sie mein Projekt unterstützen möchten. Dabei stoße ich eigentlich immer auf großes Interesse.
Statt mit Privatsachen sind meine Koffer immer randvoll mit Sonnenbrillen gefüllt
Wie bewerkstelligst du eigentlich von München aus die Verteilung der Brillen? Ist das nicht eine logistische Meisterleistung?
Oh ja, die Brillen von Europa aus ins Himalaya Gebirge zu bekommen, ist nach wie vor eine Herausforderung. Ich bin quasi permanent auf der Suche nach Leuten, die meine Brillen mit rüber nehmen. Ich selber nehme die Brillen bei jeder Reise mit ins Gepäck – statt mit Privatsachen sind meine Koffer immer randvoll mit Sonnenbrillen… Aber auch Privatleute kommen auf mich zu und fragen mich, ob sie Brillen auf ihrer Reise in die Region mitnehmen können. Und ich gehe mittlerweile gezielt auf Reiseveranstalter und frage diese, ob die Urlauber Brillen in ihrem Gepäck transportieren und diese vor Ort bei Freunden von mir abgeben können. Das klappt wunderbar. Wo ein Wille ist, sind auch viele kreative Wege… Vor ein paar Monaten kam das Rucksack-Unternehmen DEUTER, das eine Schule in Katmandu unterstützt, auf mich zu, weil es über 1.000 Rucksäcke in die vom Erdbeben erschütterte Region schicken wollte. Sie hatten noch Platz in ihrem Container frei und so und konnte ich kostenlos knapp 2.000 Brillen verschiffen. So etwas sind natürlich tolle Symbiosen!
Wie viel Manpower steckt eigentlich hinter Shades of Love? Hast du (ehrenamtliche) Angestellte?
(Lacht) Angestellte habe ich keine, aber inzwischen gibt es ein weltweites Netzwerk mit ehrenamtlichen SHADES OF LOVE-Botschaftern – ich habe Repräsentanten in Frankreich, Spanien, in der Schweiz und auch in Saudi Arabien, die das Ziel verfolgen, das Projekt noch bekannter zu machen und dort auf Sponsorensuche zu gehen.
Ein gutes Stichwort. Gäb es eine Wunsch-Kooperation mit Unternehmen?
Jegliche Firma, die mich logistisch unterstützt, wäre eine große Hilfe. Das können beispielsweise Firmen sein, die regelmäßig Waren in diese Region liefern. Ebenfalls großartig wäre ein Sponsor für Brillen-Beutel. Denn diese würde ich gerne bedrucken und mit einer Zeichensprache versehen, die erklärt, wann eine Brille zu tragen ist, wie man sie säubert und pflegt. Eine Art Aufklärungs-Beutelchen.
Dann wollen wir mal hoffen, dass dieser Artikel genau den richtigen Leute unter die Augen kommt! Inwiefern hat dein jahrelanges Engagement und der Kontakt zu den Menschen in den abgelegenen Himalaya-Bergregionen eigentlich deinen Blick auf das eigene (Luxus-)Leben verändert?
Die Erfahrungen relativieren vermeintliche Probleme und gleichzeitig wird einem immer bewusster, wie verdammt gut es uns eigentlich geht.
Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Diesen Sommer werde ich wieder nach Ladakh fahren, dann findet dort ein großes Augencamp für 10.000 Menschen statt. Mein längerfristiges Ziel ist es, in allen Himalaya-Ländern, Nepal, Butan und Tibet, tätig zu werden und die Leute zu erreichen, die völlig fernab von jeglicher Zivilisation leben.
Last but not least: Wie kann ich selber aktiv werden und SHADES OF LOVE unterstützen?
Jeder einzelne kann (gut erhaltende) Brillen in seinem Umfeld im Freundeskreis oder Büro sammeln und diese entweder in einer der zahlreichen SHADES OF LOVE-Sammelstellen abgeben oder aber direkt per Post zu mir schicken.
WICHTIG:
Wer Nepal nach dem schweren Erdbeben unterstützen und helfen möchte, eine zweite Katastrophe durch Kälte, Hunger und Krankheiten zu verhindern, kann bei Unicef für die von der Katastrophe besonders betroffenen Kinder spenden. Das Hilfswerk versorgt die Menschen mit warmer Kleidung und Decken, sowie mit Koch- und Heizutensilien. Für gerade mal 21 Euro können bereits 3 warme Fleecedecken gekauft werden und für 45 Euro in Winterpaket mit warmer Kleidung.
Fotos: PR
Dieser Artikel wurde von PEPPERMYNTA beigetragen.
Das Ende 2015 von den beiden Hamburgerinnen Fenja Kramer und Lesley Sevriens gegründete Webmagazin PEPPERMYNTA zeigt die Vielfalt an Fair Fashion, Naturkosmetik und Eco Lifestyle auf und beweist, dass Konsum, Genuss, Achtsamkeit & Nachhaltigkeit eine wunderbare Allianz miteinander eingehen können.